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Litteraturberioht
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Reihe an Herrn v. Schenk, dem sie nach einiger Zeit sagte:
„Ihre Zukunft bietet nichts Interessantes — aus Ihren
Karten ersehe ich nichts!" Da Herr v. Schenk nun der
Hellseherin nach diesem Ausspruch ironisch für ihre Weissagung
dankte, rief die Lenormand erregt: „Nun denn, wenn
sie meinen Urteilsspruch durchaus haben wollen, so werde
ich Ihnen verkünden, was ich aus Schonung verschwiegen:
in vier Tagen sind Sie tot lu Nach diesen mit Stentorstimme
und mit dämonischem Ausdruck gesprochenen Worten schritt
sie der Thüre zu, sich an dieser noch einmal wendend und
im leicht hingeworfenen Tone zurufend: „Vorher aber werden
Sie noch heirathen!" Beide Weissagungen sind
eingetroffen, auch die letztere auf Herrn v. Schenk
bezügliche, so seltsam sie klang. Er wurde in der Schlacht
bei Waterloo wenige Tage darauf verwundet. Als die
Träger mit dem Verwundeten, der auf eine Bahre gebettet
war, durch die Stadt zogen, kam ihnen eine Dame entgegen,
welche ihnen zurief: „Schaffen Sie den Kranken in mein Haus,
dort soll ihm jede Pflege zu Theil werden!" Die Dame hielt
auch ihr Wort; sie pflegte den Kranken Tag und Nacht
unermüdlich in rührendster Weise, und als derselbe dann
in überströmendem Dankgefühl sagte, sie, die unbekannte Samariterin
, möchte ihm doch sagen, womit er ihr diese rührende
Theilnahme danken könne, ob er ihr nicht ein Andenken,
ein Geschenk hinterlassen könne, antwortete jene: „Ein Geschenk
würde ich annehmen von Ihnen!" „Und welches?Ct
bestürmte sie der Sterbende weiter. „Ihren Namen !<( Schnell
wurde ein Priester herbeigeschafft, und der Sterbende wurde
mit seiner Pflegerin getraut. Dann hauchte Herr v. Schenk
seinen Lebensatem aus. Im Jahre 1820 aber trat Herr
v. Schachten in die diplomatische Karriere, die er als hessischer
Gesandter am österreichischen Hofe beschloss. Im Jahre 18Ü8
erzählte er selbst das Erlebuiss dem Schauspieler Karl Sontag
and der Birch-Pfeiffer bei einer Begegnung in Karlsbad.
XiitteraturbericM.
Berichterstatter für sämmtliche Litteratur des In- sowie Auslandes ist Hofrath
Dr. Wernekke in Weimar, an welchen auch alle Rezensionsexemplare einzusenden
sind. Die Redaktion übernimmt keine Verantwortung für die in
den Besprechungen ausgesprochenen Ansichten.
A. Büeherbesprechungen.
Was ist Raum, Zelt, Bewegung, Masse? Was ist die Erseheinungs-
welt? Von Julius v. Ohvier, Major a. D. Zweite bedeutend erweiterte
und verbesserte Auflage. München, Louis Finsterlin, 1902.
(153 8. gr. 8°).
Vor vierzig Jahren, als ich die Begeisterung meiner meisten
Altersgenossen für das Evangelium Ludw. ßüc/mer's teilte, habe ich
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