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404 Psychische Studien. XXX. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1908.)
offiziellen Dienern den widerlichsten Kultus treibt. Dieser
Kultus zeigt sich, nebenbei bemerkt, auch von einer drolligen
Seite, wenn der „aufgeklärte" Zeitungsschreiber die Zuversicht
bespöttelt, mit welcher etwa der Tiroler Bauer auf
die Worte seines Pfarrers schwört, während er, der „Freidenker
", vor dem wissenschaftlichen Pfaffenthum auf dem
Bauche kriecht, oder wenn er sich nicht entfernt beikommen
lässt, dass sein Unglaube in einer Sache sich gewöhnlich
auf einen dogmatischen Glauben in einer anderen gründet.
Endlich möchte ich mit den folgenden Vorführungen uns
Okkultisten ein für alle Mal klar machen, warum wir von
der deutschen offiziellen Wissenschaft nichts zu erwarten
haben, es sei denn, dass sie durch äussere Umstände, etwa
durch den Druck der ausländischen Wissenschaft, dazu
gezwungen wird, sich mit dem Okkultismus zu befassen.
Wenn anders echte Wissenschaft eine hohe Sache
ist? dann erleidet es von vornherein keinen Zweifel, dass
diejenigen, welche sie gewerbsmässig ausüben, also gewisser-
massen missbrauchen, im Allgemeinen nicht ihre rechten
Vertreter sein können. Von ehrenwerthen Ausnahmen, die
es, wie überall, auch hier giebt, ist eben abzusehen. Vor
Professorenweisheit kritiklos zu ersterben, ist aber um so
thörichter, als die Professoren auch beim besten Willen
nur zu häufig dem Irrthum verfallen. Hellenbach geht soweit
, die Entwicklung der Wissenschaften überhaupt „eine
ununterbrochene Kette von Irrthümern in Ball - Toilette"
zu nennen, welche nur denjenigen blende, der sie in das
traute Kämmerlein nicht verfolge. Ferner besitzen gerade
die Professoren manche andere, nur allzumenschliche
Schwächen sehr oft in erhöhtem Maasse. Unter diesen ist
besonders das Vorurtheil zu nennen, von dem Carlyle nicht
ansteht zu sagen: „Das Vorurtheil, das der Mensch zu
hassen vorgiebt, ist sein absoluter Gesetzgeber". Und hat
der Mensch je einmal durch Besiegung eines Vorurtheils
eine bessere Einsicht gewonnen, dann ist es ihm vermöge
des Hochmuthes, der dem Verstände eignet, wiederum nicht
leicht möglich, seinen Irrthum einzugestehen; lieber schlägt
er, wie schon Seneca gesagt, der Wahrheit ins Gesicht.
Auch ist nicht abzusehen, warum der Professoren stand
insofern eine Ausnahme machen sollte, als bei allen übrigen
Ständen die wahrhaft Tüchtigen anerkanntermaassen sehr
in der Minderzahl sind.
Ich habe indessen nicht vor, die Richtigkeit des als
Motto verwertheten Ausspruches Schopenhauer^ nur an der
Hand von allgemeinen Wahrheiten zu prüfen. Es soll
vielmehr in dieser Frage einer ganzen Menge hervorragender,
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