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Solling: Zur Geschichte des Professorenthums. 409
den Philosophieprofessoren nicht etwa weisse Baben sind,
darüber wollen wir uns jetzt Einiges von Goethe sagen
lassen, der ja seine hierher gehörigen, reichen Erfahrungen
hauptsächlich auf naturwissenschaftlichen Gebieten gemacht
hat. Sollten andere meiner Gewährsmänner von Animosität
nicht ganz frei gesprochen werden können, so wird man die
Auslassungen eines Goethe, der im Grossen und Ganzen das
Muster eines milden und gerechten Beurtheilers alles Menschlichen
war, als vollwerthig hinnehmen müssen. Von Goethe*
Faust soll und kann hierbei ganz abgesehen werden.
Wenn ich nicht irre, war es Eckermann, gegen den
Goethe äusserte: „In Zeitungen und Encyklopädien, auf
Schulen und Universitäten, überall ist der Irrthum obenauf
, und es ist ihm wohl und behaglich im Gefühl der Majorität
, die auf seiner Seite ist.** — In der Beschreibung
der „Oampagne in Prankreich" steht: „Gelehrte
hören gewöhnlich nichts, als was sie gelernt und gelehrt
haben und worüber sie mit ihresgleichen übereingekommen
sind. An die Stelle des Gegenstandes setzt sich ein
Wortcredo." — An Knebel schrieb Goethe: „Durchaus
scheint mir die eigentlichen wissenschaftlichen Menschen
mehr ein sophibtischer als ein wahrheitsliebender Geist
zu beleben." — Zu Riemer sagte er: „Die JFragen der
Wissenschaft sind sehr häutig fragen der Existenz." —
In der „Geschichte der Farbenlehre" befinden sich die
beiden Stellen: „Ich kannte damals, ob ich gleich alt genug
war, die Beschränktheit der wissenschaftlichen Gilden noch
nicht, diesen Handwerkssinn, der wohl etwas erhalten und
fortpflanzen, aber nichts fördern kann" und „Da ich in dem
Wahne stand, denen, die sich mit Naturwissenschaften abgeben
, sei es um die Phänomene zu thun . . . ." — „Zur
Naturwissenschaft im Allgemeinen'1 enthält den Satz: „Da
in jedem Geschäft r und also auch im Wissenschaftlichen,
die beschränkten Individualitäten genügsame Hindernisse
geben, und Starrsinn, Dünkel, Neid und Eivalität den .Fortschritten
in mannigfachem Sinne hinderlich sind, so tritt
zuletzt die Unredlichkeit zu allen diesen widerwärtigen
Leidenschaften hinzu, und kann wohl ein halbes Jahrhundert
Entdeckungen verdüstern, und was schlimmer ist, die Anwendung
derselben zurückdrängen." — Zu Eckermann sagte
Goethe: „Ich hätte die Erbärmlichkeit der Menschen und, wie
wenig es ihnen um wahrhaft grosse Zwecke zu thun ist, nie
so kennen gelernt, wenn ich mich nicht durch meine naturwissenschaftlichen
Bestrebungen an ihnen versucht hätte. Da
aber sah ich, dass den Meisten die Wissenschaft nur etwas
ist, insofern sie davon leben, und dass sie sogar den Irrthum
Psychische Studien. Juli 1903. 27
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