Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
30. Jahrgang.1903
Seite: 416
(PDF, 181 MB)
Bibliographische Information
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416 Psychische Studien. XXX. Jahrg. 7. Heft (Juli 1903.)

Sinne aufgefasst werden? Keineswegs! Wenn man einen
von den Mühen des Tages hart mitgenommenen Menschen
Abends nicht schlafen lässt, so wird dies von ihm natürlich
als ein Uebel empfunden; daraus folgt jedoch nicht, dass
derselbe Müde nach ruhigem, festem Schlaf nicht wieder
lebenslustig erwachen könne; und so könnte man sich auch
ein gestorbenes und später wieder geborenes Wesen sehr
wohl mit neuer Lebenslust begabt denken. Zwar ist diese
Analogie nur bis zu einem gewissen Grade durchzuführen;
jedenfalls aber beruht die „Versteinerung", die das Chaos
eines ewig lebenden Menschen vorstellen soll, auf einem Miss-
verständniss. Nur dann wäre man im Kecht, von der Unmöglichkeit
eines Nichtendensollens individueller Lebensäusserungen
zu reden, wenn wirklich alle in uns wirkenden
Kräfte auf ein gewisses Zeitmaass angelegt wären. Dies
ist aber nicht der Fall. Allerdings sehen wir, dass nicht
nur körperliche Empfindungen, Reaktionen und Thätigkeiten,
wenn auch noch so spät, allmählich abzunehmen beginnen,
sondern auch in unserm Inneren ist doch so Manches blos
auf ein gewisses spezielles, endliches Ziel hinaus berechnet;
keinenfalls jedoch bezieht sich dies auf alle, nicht einmal
auf die Mehrzahl unserer Triebe. Schon die Unlust überhaupt
, auf das individuelle Leben verzichten zu müssen,
welche den Menschen bis ins höchste Alter begleitet,*) beweist
, dass der Lebenstrieb im Allgemeinen stets lebensfähig
bleibt. Wüsste Einer, dass ihm nur die Wahl
zwischen einer qualvollen Existenz und einem Nichtsein
bliebe, so würde er natürlich Letzteres als das geringere
Uebel wählen; daraus folgt jedoch keineswegs, dass er nicht
am Liebsten nach einem Dritten, d. h. nach einer anderen,
neuen, nicht von Leiden getrübten Existenz greifen würde,
falls sie ihm geboten würde. Stirbt aber der Trieb zum
Leben (d. h. zu einem freudigen) nie völlig ab. so kann
schon aus diesem Grunde von einem Sichausleben alier in

*) Und gerade bei den thätigsten, kräftigsten und vielseitigsten Men-
sehen bewährt sich dies am meisten, wie denn auch so mancher geniale und
hochverdiente Greis, wie z. B. Benjamin Franklin, auf dem Todtenbette
den Wunsch ausdrückte, das Leben von Neuem anzufangen. Nur in einem
Fall kann man sich denken, dass der Mensch einen absoluten Tod wünschen
dürfte: wenn es sich um einen mit hochgiadiger, angeborener und \on
keinen hellen Zwischenräumen durchkreuzter Melancholie Behafteten handelt.
Denn hier kann sich der Unglückliche das normale, gesunde Lebensgefühl
auch nicht einmal vorstellen. Er weiss nicht, dass der unbestimmte, seelische
Schmerz, der ihn quält, nur in ihm selbst, d. Ii, in seinen kian1u*n Nerven
weilt, und hält daher das Leben selbst für unbedingt schiecht und tür
unwerth, in iigend welcher Gestalt weiter gewünscht zu werden. So stand
es mit Leopardi und einigen anderen hochgradigen Pessimisten.


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