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432 Phobische Studien, XXX. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1903.)
Wenn also ein Teil des Doppelgängers, nämlich seine Bekleidung
nach du Prel's eigenen Worten auf eine Halluzination
zurückzuführen ist, so ist der nächstliegende
Gedanke jedenfalls der, dass die ganze Erscheinung auf
diese Weise zu erklären sei. Will man aber dennoch an
der Kealität der Erscheinung festhalten, so muss man doch
immerhin zugeben, dass ebensogut wie die Kleidung auch
der darin steckende Körper des Phantoms am einfachsten
als eine fernewirkend zusammengeballte Aether-
masse oder als irgend eine magnetische Emanation
des lebenden Körpers zu erklären ist, ohne dass man
eine wirkliche Anwesenheit des Astralleibes anzunehmen
braucht. Auch als objektive Realität würde das bekleidete
Phantom nie den Astralleib, sondern immer nur die bekleidete
Gestalt des irdischen Menschen darstellen. Die
Realität der Phantome würde, selbst wenn sie über allem
Zweifel erhaben wäre, nicht das Geringste für die Hypothese
eines ätherischen Seelenleibes oder gar für seine selbständige
Wanderung nach dem Orte der Erscheinung beweisen. Man
kann für die Hypothese eines ätherischen Seelenleibes oder
Metaorganismus eintreten, also transzendentaler Individualist
sein, ohne an die Realität des Doppelgängers zu glauben,
und man kann umgekehrt die Realität der Phantome anerkennen
, ohne zu der Annahme eines Astralleibes fortzuschreiten
. Beide Fragen haben nichts mit einander zu
thun, ja, sie stehen in einem gewissen Gegensatz zu einander.
Denn je stofflicher die Phantome sich erweisen, desto unmöglicher
wird es, sie mit dem Astralleib zu identifizüen.
Das zeigt sich gerade da, wo der einzige untrügliche Beweis
(S. 248) für die Realität der Phantome in Frage kommt,
nämlich die Solidarität des Doppelgängers mit dem
Körper. Diese führt nämlich nach du PrePs eigenen
Worten nur bis zu der Annahme einer realen Emanation
aus unserer „seelischen Substanz" (S. 257—261) und der
Versuch, diese magnetische Emanation mit ihrer eigenen
Quelle, d. h. das Phantom mit dem Astralleib gleich zu
setzen, würde sich von selber richten. Ebenso ungerechtfertigt
wäre die Annahme, dass diese realen Emanationen,
weil sie unter Umständen menschliche Formen annehmen,
zu verleihen und die Annahme einer Einwirkung jenseitiger Intelligenzen
eben damit zu eliminiren scheint, den vom Unterzeichneten
übersetzten „Versuch zur Erklärung der Gespenstererseheinungen*
von P. C. Revel-Lfon, der auf Grund langjähriger ExperimentaJ -
Studien jene Erscheinung auf einen dem Visionär fremden Ein-
fluss (im Sinne der durch die S. P. R. zu London in zahlreichen
Fällen konstatirten »Gespenster lebender Personen*) zurückzuführen
sucht. (Psych. Stud. 1900, Aprilheft, S. 201 ff.) — Mater.
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