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478 Psychische Studien. XXX. Janrg. 8. Heft. (August 1908.)
Wunderbare Errettung aus Gefahren.
Von Franziska......*)
III.
Anfangs August 190— traf ich Vorbereitungen, um am
nächsten Tage eine kleine Reise betreffs Wohnungssuche
zu unternehmen. Wohl beschäftigt mit diesem Gedanken,
schlief ich ein und träumte, ich führe tmf einem Wagen
einen steilen Berg hinan, um auf dessen Spitze ein Haus,
bezw. die darin befindliche Wohnung zu besichtigen. Plötzlich
stürzten die Pferde, der Wagen schlug um, ich fiel
heraus, klammerte mich an den Rand eines Felsens und
hing somit über einem Abgrunde, in Gefahr, in die Tiefe
zu stürzen. Da sah ich meinen Vater, der mir als Traum*
gestalt seit seinem Tode ein ständiger Berather und Beschützer
ist; ernst und ruhig sagte er: „Sieh Dir die Wohnung
an!" Auf meine angstvolle Erwiderung: „Aber ich
falle ja, ich hänge doch schon am Abgrunde,** — entgegnete
mein Vater mit derselben Ruhe: „Geh* nur, besieh die
Wohnung, du lallst nicht, ich halte Dich!a — Ich erwachte.
Noch ganz erregt von meiner soeben ausgestandenen Angst
beschloss ich, nun nicht zu reisen, und schlief daher getrost
in den Tag hinein. Meiue treue Freundin, besorgt
über mein verspätetes Erwachen, weckte mich und war
höchlichst verwundert, dass ich mein Vorhaben nicht aus:
führen wollte. Ich erzählte meinen Traum, da wies meine
Freundin darauf hin, dass mein Vater es ja ausdrücklich
gewünscht hätte mit der Hinzufügung: „Du fällst nicht,
ich halte dich!" Eiligst machte ich mich darob fertig und
reiste mit dem vorgesehenen Zuge ab. — Die besichtigte
Wohnung war über Erwarten schön, ich trat sehr befriedigt
den Rückweg zum Bahnhof an. Der Zug, den ich, wie verabredet
, zur Rückfahrt benützen wollte, stand bereit. In grosser
Zahl drängten die Reisenden sich an den die Fahrkarten
koupirenden Beamten; ich stand ziemlich zuletzt und wartete.
Plötzlich empfand ich einen quälenden Durst, ich suchte
denselben zu unterdrücken, doch immer peinigender wurde
das Durstgefühl, die Lippen wurden spröde und ich matt
und erregt; ich fühlte, so konnte ich nicht auch nur eine
Stunde reisen, ich musste trinken. Schnell trat ich zurück,
zeigte meine Fahrkarte an der Kasse vor und fragte, ob
noch ein Zug in der Richtung nach S. ginge, der in W.
um b1/* Öhr einträfe; ich würde um diese Zeit erwartet,
*) Vergl. die früheren Beiträge dieser hellsehenden Dame
„Psych. Stud." 1902, S. 599 und 721 ff. — R e d.
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