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482 Psychische Studien. XXX. Jahrg. 8. Heft. (August 1908.)
das des zweiten Kindes, weithin schallte. Ich freute mich
dieses kindlichen Uebermuths, freute mich des murmelnd
dahinziehenden Flüssehens, des hellen Sonnenscheins, der
himmelanstrebenden Felsen, freute mich meines eigenen
Lebens! Dahinein in dieses Freuen passte wenig die Unterhaltung
der Familienväter, Familienmütter; sahen Erstere
diesen herzerquickenden Spaziergang als willkommene Gelegenheit
zur Besprechung geschäftlicher Dinge an, so
schienen die Letzteren nichts Besseres zu vissen, als ihre
lieben Nächsten einer gründlichen Kritik zu unterziehen.
Vergeblich versuchte ich einige Male, die Aufmerksamkeit
von so profanen Dingen auf diese herrliche Gotteswelt zu
lenken, entschloss mich dann aber, etwas schneller zu gehen,
um allein und möglichst ungestört den Zauber dieses wundervollen
Weltfriedens auf mich wirken zu lassen. Ich wusste,
nicht allzu fern kam ein freier Platz mit überwältigender
Aussicht und einer Ruhebank, dort wollte ich die Gesellschaft
erwarten. Dieser Platz war hinter einem besonders
weit vorstehenden Felsen fast versteckt. Als ich dorthin
kam, sass auf der Bank ein mit gutem, schwarzem Anzüge
bekleideter Herr; deshalb setzte ich mich nicht, sondern
blieb etwas seitwärts von dem Fremden in der Mitte des
Platzes stehen, um so die reizvolle Gegend zu beschauen.
Ganz plötzlich, unbemerkt stand der Fremde neben mir
mit thierisch entstelltem Gesichtsausdruck, fest zusammengepreßten
Lippen und unheimlich funkelnden Augen. Ich
war starr vor Entsetzen, kein Glied konnte ich rühren, keinen
Laut hervorbringen. In diesem Augenblick höchster Gefahr
— denn unzweifelhaft war ein Ueberfall auf mich die
Absicht des Strolches — erscholl dicht hinter dem den
Platz verdeckenden Felsen helles, weithin tönendes Lachen
der beiden Mädchen. Blitzschnell rannte der Unhold nach
der Stelle hin und fand nicht nur die Kinder in nächster
Nähe, sondern hinter ihnen auch die in etwas schnellerem
Tempo herangekommenen Erwachsenen, an denen er dann
wild vorübereilte. Ich war gerettet!
Zur vollständigen Beseitigung einer Blinddarmentzündung
reiste ich in Begleitung meiner Dienerin in ein Bad. Meiner
Schwäche wegen musste mich das Mädchen öfter im Fahrstuhl
fahren; in dieser Weise machte ich einst einen Ausflug
in die herrliche Umgegend. Auf dem Rückwege ging
es bergab, und zwar benützten wir den sehr viel höher als
der Fahrweg gelegenen, aber steil nach diesem hin abfallenden
Fussweg, der breit und bequem war. Das Mädchen
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