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v. Seeland: Die Logik der materialistischen Lehre etc. 487
lebt zu haben, — so wird es doch wohl klar, dass man, bei
solchen Auspizien, mehr Grund hat, den Pur sang-Pessi-
misten ä la Schopenhauer und Ed. v. Hartmann, als den materialistischen
Optimisten k la Büchner und Häckel die Hand
zu reichen. Der Denkfehler der Ersteren besteht hier nur
darin, dass sie das Weltübel überhaupt für in Ewigkeit
unverbesserlich halten, indes die religiös Gesinnten an einen
jenseitigen Ausweg glauben. —
Ferner seien hier einige besonders bezeichnende Aussprüche
ßühring's aus dem Kapitel „Der Tod" („Der Werth
des Lebens", 5. Aufl.) angeführt: „Ein Leben, welches in
seinen Schranken nicht auch die Möglichkeit des unwiderbringlichen
Verlustes hegte, wäre kein voller Ernst und
könnte daher auch keinen höheren Reiz als den eines Spieles
haben. Gegen eine solche Welt, in der Nichts wahrhaft
verloren und daher (sie!) auch Nichts wahrhaft gewonnen
werden könnte, möchten wir nun wohl eher ein Recht zur
Anklage haben, als gegen das wirkliche Leben mit seinen
absolut bedeutsamen Schicksalen."' „Wäre der Tod nicht
gleichsam das Maass des Lebens, so liesse sich die höhere
Theilnahme, mit welcher die Menschen die Tragödie vor
allen anderen Gattungen des Drama bisher betrachtet haben,
nicht begreifen. Warum erscheint ihnen die tragische Gestaltung
des Lebens als die gefahrvollste? Doch weil sie
Rieh zu jenen Höhen erhebt, auf denen Tod und Leben aneinander
grenzen. Man würde nicht an den Ernst der
grossen Leidenschaften glauben, wenn sie sich nicht an dem
Tode endgültig bewährten. Woher soll auch schliesslich
der Maassstab der Bedeutsamkeit und Ernstlichkeit anders
kommen, als von jenem dunkeln Horizont, vor dem die
Flamme des Lebens in ihrer ganzen Gluth aufleuchtet?"
„Der Tod ist daher ein Element, welches im Ganzen des
Lebens nie fehlen dürfte, ohne daraus ein schaales langweiliges
Treiben zu machen. Die Differenz ist die eigentliche
Ursache der Steigerung der Empfindung- Nun giebt
es keinen gewaltigeren Unterschied, als zwischen Sein und
Nichtsein. Wo also das Lebensgefühl seine Höhe an der
Tiefe des Todes misst, da wird es seines Wesens ganz inne
werden und ermessen, welch einen Reichthum dieses im
Wechsel von Geburt und Tod hinfliessende Dasein ein-
schliesst. Der Tod ist also nicht der Feind des Lebens
überhaupt, sondern er ist ein Mittel, durch welches die Bedeutung
des Daseins in ihrem vollen Werthe offenbar gemacht
wird,/' —
Also das Leben empfängt seinen Ernst und seinen
Reiz nur durch die Möglichkeit seines unwiederbringlichen
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