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506 Psychische Studien, XXX. Jahrg. S.Heft. (August 1903)
den Fussspureu des „Entlarvers", Herrn Dr. Erich Bohrt,
mit seiner berühmten „Flucht in die Öffentlichkeit" (d. h.
in die notorisch übelwollende und nur ganz oberflächlich
orientierte Tagespresse!) folgte, selbst die Hand dazu geboten
haben sollte, dass die noch lange nicht spruchreife
Frage über die Mediumschaft dei Eusapia schon jetzt in
den Berliner Tagesblättern unter der lediglich dem Sen-
sationsbedürfniss und einer auf die Neugier und die Lachlust
urtheilsloser Leser spekulirenden Reklame dienenden
Ueberschritt „Anna Rothe's Nachfolgerin41 zur öffentlichen
Diskussion gelangte, die nun eine Richtigstellung von sachkundiger
Seite als dringend geboten erscheinen lässt.
Kurze Notizen.
a) Nachträgliches zum Prozess Rothe. In
No. 2l) der „Zukunft4* bespricht Justizrath Dr. Selfo den
Prozess Rothe und kommt dabei zu dem Ergebniss, die
Rothe sei zu Uurecht verurtheilt worden, dn ihr Verhalten
keinen Betrug im strafrechtlichen Sinne darstelle.
Sie habe Vorführungen aus dem Geisterreiche versprochen.
Derartige Vorführungen seien unmöglich, mithin seien ihren
Besuchern keinerlei Rechtsausprüche erwachsen. Da die
Besucher also keine Rechtsansprüche gehabt hätten, so seien
sie in ihrem Vermögen nicht geschädigt, und der von der
Rothe erntrebte Vermögensvortheil kein rechtswidriger. Sello
beruft sich auf ein Urtheil des Reichsgerichts (Eutsch.
Bd. 19, S. 186), wonach der Thatbestand des Betruges, wie
die Begriffsmerkmale des „rechtswidrigen Vermögensvor-
thcils" und der „Vermögensbeschädigung" ergäben, einen
Eingriff in das rechtlich geschützte Eigenthum anderer voraussetze
; jede Beschädigung oder Entziehung von Ver-
mögenswerthen, an denen dem Betheiligten kein Recht zustehe
, sei ungeeignet, den Thatbestand des Betruges zu
erfüllen. Dass z. R. eine öffentliche Dirne, die um den verabredeten
Betrag des Hurenlohnes geprellt werde, nicht als
strafrechtlich betrogen gelte, sei ganz unstreitig. — Gegen
diese Begründung wendet sich nun in Nr. 12 der „Deutsch.
Juristen-Zeitung" Referendar Dr. Riedinger-Bvesl&n mit der
Erwägung, dass das Reichsgericht bei seinen einschlägigen
Entscheidungen offenbar nur die Fälle des „sittlich und
rechtlich Unmöglichen" im Auge habe, während im Falle
Rothe eine thatsächliche Unmöglichkeit vorliege. Es sei
nicht unsittlich, Geister zu citiren, es sei auch nicht rechtswidrig
, aber es sei thatsächlich unmöglich. Dass aber
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