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Kurze Notfasen.
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meldenden Person zusammenfiel oder doch durch irgend
einen andern kritischen Moment (Lebensgefahr etc.)
bedingt war.
c) Der Traum Alexander's. Das serbische Blatt
„Stampa" („Die Presse") veröffentlicht die Mittheilung einer
Persönlichkeit, welche sich kurz vor der Katastrophe im
Belgrader Konak aufhielt. An dem Tage, welcher der verhängnissvollen
Nacht voranging, war König Alexander in
sehr gedrückter Stimmung und gab Zeichen gesteigerter
Nervosität und Zerstreutheit. Auch Hess er Dinge ohne
Bemerkung geschehen, die ihn sonst zu lebhaften Aeusse-
rungen veranlasst hätten. Bei Tische bemerkte Draga diese
deprimirte Gemüthsverfassung des Königs und versuchte,
ihn ins Gespräch zu ziehen. Er blieb jedoch einsilbig, bis
Draga in ihn drang, die Ursache seiner Verstimmung zu
erfahren. Da sagte Alexander, er habe einen bösen Traum
gehabt, der ihn verfolge. Draga bestürmte nun den König,
seinen Traum zu erzählen, und dieser berichtete: „Mein
Vater trat zu mir, sah mich traurig an, nahm mir die
Mütze vom Kopfe und den Säbel von der Seite, dann entfernte
er sich stumm." Draga meinte, Träume hätten keine
Bedeutung. Der König aber verharrte in düsterer Grübelei.
— Nur schade, dass in dem uns freundlichst zugesandten
Ausschnitt weder die mittheilende Persönlichkeit, noch die
betreffende Zeitungs-Nummer genannt ist.
d) Eine serbische Legende. Ein Theil der Vorhersagungen
des serbischen Sehers aus dem Kreise Euczitza
hat sich erfüllt. Seit einem Menschenalter ist die Legende
unter den Serben bekannt. Die Papiere und Zeugenaussagen
, durch die sie bekräftigt wird, sollen in einem der
serbischen Ministerien vorliegen. Der serbische Gesandte in
London, Herr Tscheda Mijatowitsch, ein überzeugter Spiritist,
hat sich von seinem Standpunkt aus schon vor Jahren mit
der Prophezeiung beschäftigt; ein bekannter serbischer
Zeitungsherausgeber hat den Versuch übernommen, sie in
einem Roman zu verarbeiten. Der Bauer, von dem sie
stammt, galt für geisteskrank. Eines Tages gegen Ende
der 60 er Jahre rannte er aus seiner Hütte auf die Strasse
und rief wiederholt unter allen Zeichen des Entsetzens:
„Man ermordet den Fürsten!" Kurze Zeit darauf wurde
Fürst Michael im Park zu Topschider niedergestreckt. Man
erinnerte sich des Bauern von Ruczitza und brachte ihn
nach Belgrad ins Verhör. Er erklärte, er habe das, was
sich später erfüllte, schon vorhergesehen. Alles staunte
über diese Antwort, der Bauer aber fuhr fort: „Ich sehe
noch viel mehr. Ich sehe einen Fürsten, der König werden
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