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528 Psychische Studien. XXX. Jahrg. 9. Heft (September 1908.)
ihre Richtung aus dem Schlünde des Mörsers erhalten. Ihre
Wirkungen sind verschieden." — In „Maitre Cornelius44
bestiehlt ein Geiziger, in somnambulem Zustande, sich selbst.
— Im „L'elixir de longue vie" wird in fratzenhaft abscheulicher
Weise das tiefgründige Problema des rosenkreuzeri-
scheii Arkanums der Lebensverlängerung behandelt. Welcher
Abstand gegen Bulwer's ,,Seltsame Geschichte"! — Desto
grossartiger ist Balzac1's: „La recherche de PAbsolu% worin
das fieberhafte Suchen nach dem Stein der Weisen, der
„tinctura aurea44 geschildert wird. Dieser Roman gehört in
Bezug auf Seelenmalerei und Genremalerei zu dem Besten,
was Balzac geschaffen hat. Balthasar Claes, ein Schüler des
grossen Lavoisier, ergiebt sich, in unheimlichem Fanatismus,
der Alchymie, unterstützt von seinem Diener Mulquinier,
dem Sancho Pansa dieses anderen Don Quixote. Claes, ein
reicher Mann, verliert durch seine kostspieligen Experimente
Alles dabei: Haus und Felder, seine kostbare Einrichtung
und sein geliebtes Weib. Er wird zum einsamen, schmutzigen
Bettler. Was sucht er? „Eine Substanz, welche allem
Erschaffenen gemeinschaftlich ist und von einer einzigen
Kraft bewegt wird44. — den grossen Unitärstoff, das Lebensprinzip
. „Stahl, Becher, Paracelsus, Agrippa. alle die gelehrten
Forscher nach verborgeneu Dingeu, haben als Losung
den Trismegistos gehabt, nämlich die grosse Dreizahl, und
die Unwissenden, die gewohnt sind, die Alchymie, diese
übersinnliche Chemie, zu verdammen, wissen ohne
Zweifel nicht, dass wir uns damit beschäftigen, die leidenschaftlichen
Forschungen dieser grossen Männer zu vollenden.44
Geber dem Suchen nach dem Absoluten gebt Claes der Inhalt
seines sonstigen Lebens verloren. Er sucht und experi-
mentirt, wird zum Bettler, zum Spott der Strassenjugend,
und erst am Sterbebette ruft er das Wort des Jrchimedes:
Heureka! „Mit einem dumpfen Tone sank er in sein Lager
zurück und starb unter schrecklichem Stöhnen. Bis zu dem
Augenblicke, wo der Arzt sie schloss, drückten seine starren
Augen das Bedauern aus, der Wissenschaft nicht das Wort
eines Räthsels hinterlassen zu können, dessen Schleier sich
unter den entfleischten Fimrern des Todes kühn zerrissen
hatte"*)
(Fortsetzung folgt.)
*) II. <ie Dahin'* „Sämmtliclie Werke" (1844), Ilebersetzung
G, L. Fonler, 38. u. 39. Band.
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