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Zippra: Vorausgesagte Ereignisse etc.
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Gleichenberg machte, nämlich: er möge die Abdikation bis
z«ur Volljährigkeit seines Sohnes verschieben und während
der vier Jahre, die bis dahin noch bleiben, ein von mir
entworfenes Programm politischer und sozialer Reformen
durchführen. Der König fand an dem Entwürfe grossen
Gefallen, und als er sofort nach der Rückkehr nach Belgrad
die Durchführung seines ersten Punktes unternahm, glaubte
ich — und er hielt mich in diesem Glauben aufrecht —,
er würde auch die anderen Theile desselben durchführen.
In diesem Glauben habe ich auch nur wenige Tage vor
der Abdankung zu dem englischen Gesandten gesagt, es
sei unwahr, was ihm Graf Bray im Vertrauen mittheilte,
König Milan wolle am 22. abdiziren.
Selbstverständlich waren wir nun sehr überrascht, als
der König am erwähnten Tage, nachdem das ganze Kabinet
zu Hofe befohlen wurde, uns die Mittheilung machte, er
habe sich entschlossen, am 22. zurückzutreten. Wir alle
gaben uns Mühe, dem Könige das Patale dieses Vorhabens
klar zu machen. In diesen Bemühungen vergingen beinahe
zwei volle Stunden. Zum Schlüsse dieser unglückseligen
Audienz sagte König Milan aufgeregt und mit Bitterkeit:
„Ueber Euch anderen, meine Herren, staune ich nicht, Ihr
alle meint, es wäre Eure Pflicht, mich von dem vorhabenden
Schritt abzubringen, und Eure Argumente seien derartige
, dassvsie mich überzeugen müssten. Ich staune aber
über diesen Ceda ßfijatovid, der sehr gut weiss, dass es so
Uebersetzung des detaillirten Originalberiehtes dem freundlichen
Herrn Einsender gewiss um so dankbarer sein. — Der englische
Publizist W. T. Stead giebt im Juliheft seiner „Review of Reviews
* und im Pariser „Figaro* einen detailirten Berieht über
die prophetische Vision der Mrs. Burchell, mit welcher sich nun
auch die Londoner S. P. R. aufs eingehendste beschäftigt. — Merkwürdig
ist auch ein von der ermordeten Königin Draga am
9. Juni an eine intime Freundin gerichteter und von dieser zugleich
mit der Nachricht der Mordszene am 11. Juni er. erhaltener Brief,
den das „Neue Wiener Journal" vom 20 Juni veröffentlicht und
der, wörtlich übersetzt, lautet: „Ich liebe Sascha (König Alexander)
diese gute, treue Seele, unendlich und würde nicht zaudern, mich
für ihn zu opfern und von ihm zu trennen. Ich weiss, dass man
mich hasst und dass das Fehlen eines Kindes, eines Erben, die uns
bedrohenden Gefahren vermehrt. Wenn der König sich mit den
extremen Radikalen wieder aussöhnt, so wäre es möglich, dass die
zweite serbische Königin der ersten ins Exil nachfolgen müsste.
Ich werde von düsteren Ahnungen heimgesucht und
oft kommt mir bei Nacht die Erinnerung an das schreckhafte Bild
des sterbenden Mic/mel, der seine blutüberströmten Hände gegen
seine Mörder erhebt und fleht: „Ne motje bratscha dosta! (Maltet
ein, Brüder, es i»t genug/) Nur Sascha ist guter Laune, er glaubt
unerschütterlich an den Stern der Obrenowitsch." — Red.
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