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556 Psychische Studien. XXX. Jahrg. 9. Heft. (September 1903.)
besprochenen harten Angriff gegen die Mediumität überhaupt
in der Person des zur Zeit namhaftesten Mediums,
das in den letzten Jahren in Italien von neuem unter den
scharfen Augen urteilsfähigster Personen, wie z. B. der
Professoren Porro und Morselü, Staunens wer the Erfolge erzielt
hat, im Anschluss an sein berüchtigtes Rothe -Gutachten
führen zu müssen glaubte.
Dessoir ist einst als Mitarbeitet der eingegangenen
„Sphinx" gegen die den okkultistischen Anschauungen abholde
„offizielle Wissenschaft" selbst ziemlich scharf ins
Feuer gegangen, bis ihm du Prel in der „Beil. z. Allg. Zeit.",
in der jener in einem 1889 veröffentlichten Aufsatz dem
Hypnotismus wie der Medianimität aprioristiscb jeden Werth
für eine transszendentale Psychologie wegdekretirt hatte, in
seiner schneidigen, klaren Weise entgegentrat. Noch vor
2 Jahren veröffentlichte Dessoir in der „Woche" übersichtlich
klare (auch in den Psych. Stud. theilweise zum Abdruck
gelangte) Aufsätze über die glänzenden Erfolge des
Dr. Hoägson u. a. mit dem Medium Mrs. Piper, freilich mit
dem der Tagesmeinung schmeichelnden Schlusssatz, dass
das Alles dennoch keinen „wissenschaftlichen" Werth habe.
Dr. Bormann knüpft hieran die berechtigte Frage: „Wozu
hat nun Dessoir seine langen Darstellungen für das opulente
Blatt geschrieben?" und fährt sehr gut fort: „Die Herren
zündeln mit dem Feuer umher, wie die spielerischen Kinder ;
es mit fester Hand zu packen und einzufangen als Leuchte
des Wissens, dazu gehört ja Geist und Muth!" —
Da Prof. Dessoir schon als langjähriges Mitglied der
S. P. R. mit der Eigenart der mediumistischen Forschung
ohne Zweifel näher bekannt sein muss, so richtet der erste
Vorsitzende der Münchener „Ges. f. wiss. Psych." nunmehr
öffentlich an ihn nachfolgende (von uns dem Inhalt nach
citierte) 3 Fragen, auf deren Beantwortung man gespannt
sein darf:
1) Wenn Prof. Dessoir, wie ja anzunehmen ist, jene
Sitzungen mit Eusapia unter wissenschaftlicher Kontrolle
gemeinsam mit anderen kompetenten Forschern abhielt, so
ist, falls das Gutachten besonnen und von wissenschaftlichem
Werthe sein soll, die Herausgabe eines gründlichen,
von allen Theilnehmern unterzeichneten Protokolls
unabweisbar. Will uns Herr Dessoir ein solches
vorlegen? 2) Welche positiven Anhaltspunkte hat darnach
Herr Dessoir, um das Medium des „systematischen
Betrugs" zu zeihen? 3) Nach der Alitagsweisheit sind
die Täuschungen eines Mediums schlechthin Betrügereien.
Nach der vertieften psychologischen Auffassung sind die-
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