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560 Psychische Studien, XXX. Jahrg. 9. Heft. (September 1903.)
wendig, dass eine Uebereinstimmung bestehe zwischen der
Güte desjenigen moralischen Typus, der in einer vollkommeneren
Mensehenspezies vorwaltet, und demjenigen, welcher
im Grunde der Dinge als für alles Sein maassgebend vorausgesetzt
und aus den Thatsachen erkannt wird. Eine sittliche
Weltauffassung kommt noch laLge nicht heraus, wenn
man nichts weiter thut, als das Gute in der Menschenwelt
zum Maass der Menschenschätzung machen. Um die Menschenschätzung
handelt es sich erst in zweiter Linie, in erster
ist es darum zu thun, die Götter selbst nach dem Maass
des Guten zu beurtheilen, oder, um eine dem Aberglauben
weniger nahestehende Kedewenduug zu gebrauchen, den
Grund der Dinge als guten Charakter zu erkennen." „Die
wüsten Zufallsvorstellungen, denen gemäss die Natur nichts
als ein Spiel blinder Kräfte sein soll, ergeben die niedrigste
Stufe, auf die eine Weltauffassung hinabsinken kann." „Es
ist nicht blos der engere, sondern auch der weitere Sinn,
in welchem das Fundament alles Seins als befriedigend und
unseren besseren Antrieben entsprechend sich muss charak-
terisiren lassen, wenn es für uns achtungswürdig und maassgebend
bleiben soll. Andernfalls geht das Bessere beim
Menschen, angesichts der vorgestellten überwiegenden
Schlechtigkeit des Alls der Dinge, unter, oder es vereinsamt
doch wenigstens und wird im Allgemeinen einflusslos
bis zur Ohnmacht." „Das Wort [d. h. die Natur] und alle
«ich daran knüpfenden Begriffe lassen uns aber im Stiche,
wenn es gilt, die würdigste Vorstellung vom Grundcharakter
des Seins auch sprachlich angemessen auszudrücken. Namentlich
versagt der überlieferte Sprachschatz, wenn populär und
doch zugleich wahr geredet werden soll Das Wort „Gott"
ist mit dem Aberglauben so innig verwachsen, dass es sich,
wo ehrlich verfahren werden soll, zur Bezeichnung des fraglichen
Grundcharakters des Seins ohne Irreführung nicht
brauchen lässt." —
Man sieht also, dass Dühring im Grunde nur gegen das
Wort „Gott" eine u. E. übrigens auf einem, wenn auch
begreiflichen, so doch nicht berechtigten Vorurtheil beruhende
Abneigung gefasst hat; dem Wesen nach aber bleibt der
Begriff derselbe, nur werden ihm verschiedene umschreibende
Namen, als da sind: „Grund der Dinge", „Seinscharaktera
u. s. w, beigelegt. Die Attribute einer vernünftigen und
ursittlichen Weltursache sind da, aber das Wort „Gott"
wird gescheut und daher eliminirt.
Wenn es sich also hier blos um ein anderes Wort
handelt, so hat sich Dühring für die Unsterblichkeitsidee
blos ein Surrogat erfunden, welches dem Ausgleichungs-
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