http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1903/0498
564 Psychische Studien. XXX. Jahr*. 9. Heft. (September 1903.)
zufalliges Zusammentreffen von Kräften, von denen wir annehmen
dürfen, dass sie normaler Weise zwischen uns allen
wirken. Edm. Gurney hat darüber ausführlich gehandelt in
seinem schon erwähnten Werke: „Phantasms of the Living",
und mancherlei spätere Erfahrungen und Beobachtungen
haben den Werth seiner Berichte und Schlussfolgerungen
bestätigt. Wir glauben wohl im allgemeinen an Zusammenhang
und Wechselwirkung alles Seienden; aber es bleibt
für uns noch eine weite Kluft, die zur Zeit durch keine
Hypothese von Aetherschwingungen oder dergleichen zu
überbrücken ist, zwischen dem geringsten Akt telepathischer
Uebertragung und allen landläufigen Ansichten über Materie
und Bewegung. Hier ist der Rubicon zwischen mechanischer
und geistiger Auffassung des Universums. Denn wo wäre
ein logischer Haltepunkt zwischen dem ersten Zugeständ-
niss eines übersinnlichen Vermögens und dem Schlüsse, dass
dasselbe einem Theile unseres Wesens angehört, der nicht
aus materiellen Elementen gebildet, nicht an mechanische
Schranken gebunden ist, daher auch unverletzt in einer
geistigen Welt fortleben und wirken kann?
Eine besondere Art telepathischer Versuche scheint auf
einem kaum unterbrochenen Pfade über diese bisher un-
überschreitbare Kluft hinüber zu führen. Das Experiment
hat die merkwürdige Thatsache ergeben, dass jemand sich
als Phantom projizieren, sich in der Perne wie ein wirklich
Gegenwärtiges bemerklich machen kann. Der Mechanismus
dieser Projektion ist dem Handelnden selbst völlig unbekannt
; auch geht ihr kein supraliminaler Willensakt
voraus. Aber sicher sprechen die Berichte für eine Entsendung
des Geistes aus den Schranken des Organismus,
eine Pernwirkung, bei der wir nicht sagen können, ob der
Körper, bei seiner augenscheinlichen Passivität, mitwirkt
oder nicht. Bei Gurney finden sich nur Erscheinungen entfernter
Personen aufgeführt, meist in kritischen Momenten,
besonders im Augenblicke des Todes. Solche spontane Erscheinungen
, in einem Zeitpunkte, da der Handelnde, dessen
Phantom sich zeigt, eine äussere oder innere Krisis erlebt,
sind von der eben erwähnten experimentell herbeigeführten
Projektion eines menschlichen Phantoms durch keine strenge
Linie geschieden. Manchmal wissen wir gar nicht, ob eine
einem längst Abgeschiedenen —- also zwischen Diesseits und Jenseits
. — Teläsihesie oder Fern Wahrnehmung bezeichnet
die direkte Wahrnehmung von Gegenständen oder Zuständen, unabhängig
von dem Wege der Sinne und zugleich ho, dass kein
anderer Geist als Quelle der dadurch gewonnenen Erfahrung angesehen
werden kann. W>
♦
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1903/0498