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Wemekke: Die menschliche Persönlichkeit etc. 565
solche Selbstprojektion experimentell genannt werden soll
oder nicht: der Handelnde weiss ja nicht, wie er sie vollzieht
, ist sich im Augenblicke ihres Auftretens eines dahin
gehenden Wunsches gar nicht bewusst. Ist hiernach ein
Zusammenhang in der Kette der Vorgänge, so bleibt er
auch bestehen, wenn wir von den Erscheinungen in kritischen
Momenten übergehen zu Erscheinungen während des
bewusstlosen Zustandes, der häufig dem Tode vorausgeht,
oder endlich im eigentlichen Augenblicke des Todes.*) Damit
kommen wir (Kap. VII) zu dem höchsten Problem,
wenn nicht alles theoretischen Wissens, so doch alles auf
des Menschen Schicksal und Pflichten bezüglichen Wissens.
Die theoretisch wichtigste Frage mag einfach die nach der
Existenz oder Nichtexisienz einer geistigen Welt sein; die
menschlich oder praktisch wichtigste Frage ist die nach
der Stellung des Menschen zum Jenseits, wenn ein solches
existiert. Lässt sich aus der Telepathie eine geistige Atmosphäre
erweisen, so erhebt sich unsere Welterkenntnis auf
ein höheres Üiveau. Lässt sich ein Fortleben des Menschen
nach dem Tode erweisen, so wird damit sein ganzes diesseitiges
Leben umgestaltet und verklärt.
Von jeher hat dieses weittragende Problem vorgelegen
— jetzt hegt zum ersten Male eiu Hinweis darauf vor, auf
welchem Wege seine Lösung sich erreicKfea^ lässt. Die alte
Vorstellung von einem „Geiste14 (die man gern dem urzeitlichen
Animi8mus und etwa der modernen Volkskunde überlassen
wollt«*) hat durch die Beobachtungen der Vorgänge
zwischen Lebenden eine neue Bedeutung erhalten. Wir
erkennen in einer als Phantom auftretenden Gestalt eine
wirkliche Beziehung zu der entfernten Person, deren Gestalt
erscheint; wir haben nachgewiesen, dass sich dergleichen
Erscheinungen vorzugsweise im Augenblicke des
Todes beobachten lassen, dass ihre Erklärung durch blosses
*) In seinem (^om Unterzeichneten im Aprilheft 1900 S. 201 ff.
übersetzten) „Versuch zur Erklärung der Gespenstererscheinungen"
betont P. G*. Mevel-Lyou mit Kecht, dass eben der Tod (bezw. der
demselben unmittelbar vorangehende bewusstlose oder halbbewusste
Zustand) als eminent kritischer Moment aufzufassen ist. Das Phänomen
der K r i s i s besteht darnach bei den organisirten Wesen in
einer Durchbrechung, bezw. vorübergehenden Aufhebung des Gleichgewichts
in ihren magnetischen Beziehangen, entsprechend den
elektrischen Erscheinungen in der uneigentlich sogenannten unorganischen
Natur. Speziell das Phänomen der „Geistererscheinung"
ist eine {durch eine dem Visionär fremde Macht hervorgerufene)
„wahre" d. i. einen wirklichen Vorgang andeutende Halluzination,
und zwar die direkte telepathische Folge des Zustands einer
solchen Krisis, welchem das fortlebende reale Wesen des Sterbenden,
bezw. Verstorbenen unterliegt. —- Maier.
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