http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1903/0501
Wernekke: Die menschliche Persönlichkeit; etc. 567
Schäften, Mittheilungen von Thatsachen, die dem automatischen
Subjekt unbekannt waren, also entweder aus seinem
subliminalen Ich oder aus telepathischer Verbindung mit
einem fremden Ich herrühren. — Aehnlich wie beim
Schreiben ist der Fortschritt beim automatischen Reden.
Es beginnt mit unzusammenhängenden Aeusserungen, kann
aber auch einen wahrsagenden Charakter annehmen und
Mittheilungen enthalten, die ebenfalls einer subliminalen
Schicht oder einem fremden Geiste entstammen müssen.
Auf dieser höheren Stufe treten Begleiterscheinungen auf,
die in den Anwesenden ein Gefühl der Realität hervorrufen
, das sich durch keine Beschreibung erreichen lässt.
Das gewöhnliche Bewusstsein des Redenden ist aufgehoben,
er geräth in Trance — und dieser Zustand scheint wieder
nur der Vorbote eines noch geheimnissvolleren zu sein —
des Eintritts einer fremden Intelligenz, oder — gerade heraus
zu reden — des Geistes eines Verstorbenen, dessen
Persönlichkeit zu erkennen ist, und welcher zeitweilig über
die Schreib- und Sprechorgane des Versuchssubjektes ebenso
unumschränkt verfügt., wie deren rechtmässiger Besitzer.
Es können selbst mehrere Intelligenzen sich gleichzeitig
offenbaren. Der Organismus erscheint dann als der Träger
geistiger Einflüsse, welche willkürlich die Verbindung mit
ihm herstellen und wieder abbrechen. Damit findet sich
der Verfasser über sein ursprünglich gestecktes Ziel — die
Erforschung von Erscheinungen Lebender — geradezu hinausgedrängt
Er hat der Macht seiner Erlebnisse und Erfahrungen
nicht widerstehen können. Vor zehn (oder
zwanzig) Jahren gingen die Erfahrungen in erster Linie in
der Richtung der Telepathie zwischen Lebenden, in zweiter
in der Richtung der Erscheinungen Sterbender, und nur
eine Minderzahl deutete hin auf Besitznahme und Beherrschung
des menschlichen Organismus durch abgeschiedene
Geister — denjenigen Vorgang also, gegen dessen
Anerkennung ein wissenschaftliches Denken sich wohl am
meisten sträubt, weil er sich nur mit den rohesten Vorstellungen
ältester Zeiten zu vertragen scheint. Für die
Gegenwart hat sich das Verhältniss geändert. Die letztgenannten
Vorgänge sind nach Zahl und Bedeutung in den
Vordergrund getreten. Die Versuche mit Frau Piper, mit
bestimmten, unzuverlässigen Aussagens über die Zukunft. Dem
strengen Wortsinna nach wäre es nur am Platze, wo das Vorausgesagte
oder überhaupt Ausgesagte sich bestätigt. In der Eegel
wird man aber veridicus lieber mit „zutrefend", als mit „wahrsagend14
wiedergeben. W.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1903/0501