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590 PayeWacbe Studien. XXX. Jahrg. 9. Heft (September 1903.)
gedacht nicht nur für Studirende aller Fakultäten, sondern auch
für „die grosse Zahl Derjenigen, welchen es zu irgend einem Zwecke
um einen Einblick in die heutige Wissenschaft vom psychischen
Leben zu thun ist, und die sich nach einem zuverlässigen Wegweiser
umsehen\ zerfällt es in einen allgemeinen Theil, der die
Aufgabe und Methode der Psychologie, die verschiedenen Auffassungen
des Verhältnisses zwischen Leib und Seele und eine
Uebersicht über die Bewusstseinserscheinungen giebt, und einen besonderen
Theil, worin Formen und Gesetze der Empfindungen, die
einzelnen Sinnesgebiete, die sinnlichen und ästhetischen Gefühle,
Aufmerksamkeit und Gedächtniss, Zeit und Raum, Aussenwelt und
Innenwelt, Sprechen und Denken und die höheren und zusammengesetzten
Gefühle behandelt sind — alles in ruhiger, klarer Darstellung
, mit beständigem Hinweis auf die einschlägige Litteratur
im Texte und einem besonders werthvollen aasführlichen Litteratur-
verzeichniss im Anhang. Dass die Erläuterung des Vorgetragenen
durch Heranziehung spezielle • Beobachtungen erwünscht gewesen
wäre, giebt der Verfasser selbst zu; sie würden aber das Buch ungebührlich
haben anschwellen lassen. Ob er den supernormalen Vorgängen
, dem Gebiete der „modernen Mystik das nach ihm der Psychopathologie
zugehört, mehr als drei Seiten hätte widmen sollen,
darüber werden die Meinungen auseinandergehen. Wernekke.
Ernesto Bozzano, „Ipotesi spiritica e teoriche scientffiehe." Ä. Donata,
Editore. Genova 1908 (509 Seiten. 8°. 10 Tafeln Abbildungen).
„Spiritistische Hypothese und wissenschaftliche Theorien" stellt
der Veriasser in scharfsinniger und umsichtiger Erörterung? einander
gegenüber, und man darf wohl sagen, die Unzulänglichkeit der von
den Gegnern vorgebrachten Ansichten ist mit solchem Nachdrucke
dargethan, dass man entweder seine Erklärung annehmen oder —
eine noch bessere ausfindig machen muss. Beim Beginn seiner
Arbeit wollte er eigentlich nur seine Erfahrungen mit Emapla
Palatino darstellen; aber schliesslich hat er sich gedrungen gefühlt,
sie zu einer eifrigen Verteidigung des spiritistischen Standpunktes
zu erweitern. Er wiederholt in dem Buche den Bericht über die im
Hause seines Freundes Fei. Avettfao abgehaltenen Sitzungen (einen
Auszug aus seiner früheren Veröffentlichung findet man „Psych.
Stud.« 1901, Heft 10, S. 625 ff.), legt dar, welche Vorsichtsmassregeln
getroffen waren, um Betrug und Täuschung auszuschliessen
und weist entschieden die Vermuthung ab, die Beobachter hätten
durch Halluzination oder Suggestion beeinflusst sein können. Er
betrachtet dann ausführlich die drei wichtigsten Erklärungsversuche
der medialen Erscheinungen und kommt zu dem Ergebnisse: Die
Intelligenz, die eine gewisse Klasse objekti ver, der höheren Mediumschaft
eigentümlicher Manifestationen veranlasst und leitet, kann
erstens nicht mit der des Mediums identisch sein (Ablehnung des
Animismus), zweitens nicht als eine psychophysische Kollektivschöpfung
aufgefasst werden (gegen die Hypothese von Ochoromcz.
wonach sich doch nur Marionetten ergeben könnten, welche während
ganz kurzer Zeit Gedanken und Willen des Mediums und der
Theilnehmer darstellen würden); und die Aehnlichkeit, die zwischen
den unter Umständen beobachteten somnambuliseh-hypnotischen
Persönlichkeiten des Unterbewusstseins („mehrfaches Icntf) und den
bei Versuchen mit Medien auftretenden Persönlichkeiten gefunden
werden, sind nur scheinbar (gegen die Hypothese von Janel).^ Vielmehr
sei die Hypothese als bewiesen zu erachten, dass es intelligente,
äusserlich selbstständige geistige Persönlichkeiten giebt, wesentlich
der menschlichen Individualität entsprechend, — also entkörperte
menschliche Persönlichkeiten, welche jene Vorgänge hervorrufen
und leiten, um sich den Lebenden kundzuthun. Wernehke.
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