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Benedikt: Das Leben der Krystalle, 665
Das Leben der Krystalle *)
Von Prof. Dr. Morias Itenedikt
Bei meiner diesjährigen Anwesenheit in Rom hatte ich
Gelegenheit, in einer kurzen Spanne Zeit ein mächtiges
kulturhistorisches Ereigniss zu erleben, als ich im Vereine
mit Luciani und Sergi der Einladung von Professor Schrön
zu einer Demonstration seiner Präparate und Mikrophotographien
, betreffend das Leben der Krystalle und die Entwicklung
von Bakterien, folgte.
Ich will hier zunächst das Leben der Krystalle besprechen
, wie es Schrön aufgedeckt hat. Er war vom Studium
der Bakterien ausgegangen, als deren Endentwicklung er
für jede Seuchenzelienart einen spezifischen Krystail fand.
Die bei der Bildung dieser Krystalle gemachten Beobachtungen
führten ihn dazu, die Art der Krystallbildung an
vierundsechzig Salzlösungen und an den Krystail en der
plutonischen Gesteine und selbst an Lavamasse zu studiren.
Die Bildungen der Salze aus gesättigten sterüisirten
Salzlösungen studirte er mit Hilfe des hängenden, geschlossenen
oder offenen Tropfens, einer Methode, die
den Biologen geläufiger ißt als den Mineralogen. Er
beobachtete theils unter dem Mikroskope, theils mittelst
mikrophotographischer Negative, die er dann vergrösserte
und projizirte. Die Ergebnisse dieser Studien werden, sobald
sie erst kontroliirt und allgemein anerkannt sein
werden, eine Umwälzung in unserer naturwissenschaftlichen
Weltanschauung hervorrufen, welche sich vielleicht mit jener
messen kann, welche der Uebergang von der geozentrischen
zur heliozentrischen Anschauung bewirkte.
Ich will Ihnen nur nach Schrön und mit Hilfe von
Mikrophotographien, die mir Schrön zur Verfügung stellte,
das präkrystallini8che Stadium schildern, das sich in diesen
Salzlösungen entwickelt. Es tritt sozusagen ein feingranu-
lirtes Plasma (Protoplasma) auf, das in weiterer Entwicklung
netzförmig und klumpig wird. Schon in diesem Zustande
lassen sich optisch zwei Substanzen unterscheiden, die Schrön
als Deutero- und Protolithoplasma unterscheidet und dem
*) Nach einem Originalbericht des „N. Wiener Journal- vom
28. Mai er. über einen in der Gesellschaft der Aerzte am 23. Mai er.
von Prof. Dr. Moriz Benedikt gehaltenen, höchst interessanten Vortrag
über die sensationellen Studien Schrön'b, über welche unser
hochverehrter Herr Litteraturberiehterstatter, Dr. Wernekke* schon im
vor. Jahrg. 8. 129 ff. Näheres mitgeteilt hat. Das zahlreiche fachmännische
Auditorium zollte den Ausführungen des berühmten Gelehrten
den lebhaftesten Beifall. — Rod.
Psychische Studien. November 1903. 44
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