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668 Psychische Studien. XXX. Jahrg. 11. Heft. (November 1903.)
Bedeutung. Unter dem geistigen Drucke der Cellularpatho-
logie ist die Plasmalehre Rokitansky^ aus der Wissenschaft
verschwunden. Wir werden jetzt gut thun, die Darstellungen
unseres Grossmeisters wieder in Betracht zu ziehen und
seine Darlegung der Entstehung von Geweben aus Plasma
nicht mehr als einfach obsolet zu betrachten.
Es ist hier wichtig, zu bemerken, dass viele der Bildungen
beim Entstehen und in den Krystallen als einfache
Formerscheinungen schon seit Glauber — also seit 250
Jahren — die Aufmerksamkeit der Naturforscher erregt
haben, und dass man sie sogar (Hahn) in den Meteoriten
als pflanzliche oder thierische Einschüsse angesehen hat,
und dass andererseits z. B. Senarmont (lb54) angab, dass
die Mehrzahl der Krystalle im Innern eine schwammige
Masse oder ein netzförmiges Gewebe bildet, in dem verschiedene
„Unreinlichkeiten" vertheilt sind.
Ich will nun einige springende Punkte aus der umwälzenden
Lehre Schränk von den Bakterien hervorheben.
Er begann mit dem Stadium der Ketten, in denen er
für die meisten Seuchenzellen zwei Formen von Gliedern
beobachtete, nämlich sporenartige Körperchen und sogenannte
Otricoli, Bald sind die einen Formen vorwaltend,
bald die anderen. Wenn ein selbstständig gewordenes
Otricolo sich krümmt, so entsteht eine Virgula und bei der
Cholera sind nach Schrön diese Virgulae die defintive und
ausschliessliche Zellenform. Die Otricoli enthalten keimfähige
, wandständige Körnchen; sie erweitern sich zu
Kapseln, in denen nun die eigentlichen Bazillen entstehen.
Derselbe Vorgang spielt sich nach Schrön in den Sporen
ab. In diesen trächtigen und gebärenden Kapseln, die von
freigewordenen Bazillenkolonien funktionell streng zu unterscheiden
sind, treten nun sekretarische Vorgänge auf, und
zwar wird zunächst eine seröse Flüssigkeit abgesondert, dann
Gase, dann eine albuminöse, nicht polarisirende Substanz,
dann eine polarisirende albuminöse Substanz, die sich zu
Krystallen entwickelt. Diese Krystalle sind für jede Art
von Seuchenzellen charakteristisch und es entwickeln sich
durch RiehtungsVorgänge allmälig die Achsen. Der Tuberkelbazillus
nimmt eine morphologische Sonderstellung ein.
Die Kette besteht aus rosenkranzartig angeordneten Bläschen
, die sich zu trächtigen und gebärenden Bazillenkapseln
mit den geschilderten Absonderungsvorgängen entwickeln.
Die aus ihnen hervorgehenden rhombischen Krystalle durchbrechen
das Gewebe und erscheinen schon im mucösen
Sputum, wenn die bazillendurchsetzten Gewebe noch keine
solchen in die Luftwege befördern, weil noch keine Zer-
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