Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
30. Jahrgang.1903
Seite: 677
(PDF, 181 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1903/0557
v. Seeland: Die Logik der materialistischen Lehre etc. (577

Schmerz um theure Abgeschiedene nie ganz los kommen.*)
Was sollte nun aus solchen Gefühlvollen ohne jenen Stab
werden ?

Ferner müsste man auch hier wieder bedenken, dass
der geistige und sittliche Fortschritt im Allgemeinen mit
einer Zunahme von Voraussicht, Einbildungskraft und Ge-
dächtniss einhergeht, dass also dem zukünftigen Menschen
von dieser Seite immer grössere Bedrängnisse bevorstehen
müssten. Je schwächer die Macht der Zeit über die Stimme
des Herzens ist, je tiefer sich das einst Erlebte, bezw. das
einst Geliebte in die Seele eingrub, desto schwerer hält ein
Verzichten auf ewig, ein Sichbegnügen mit den von materialistischer
Seite empfohlenen Surrogaten. Je heller die Voraussicht
, je reger die Einbildungskraft, je treuer das Gedächtniss
ist, desto unvermeidlicher muss sich dem Geiste, selbst bei
thatsächlich noch nicht stattgefundener ewiger Trennung die
definitive Nothwendigkeit derselben ausmalen, was also schon
an sich einem kommenden Geschlechte das Leben verbittern
würde. Schon jetzt seilen wir, dass gerade den am tiefsten
und zartfühlendsten Geistern das unter solchen Umständen
traurige Privilegium des Nichtvergessens zufiel. Und es
wäre ein grosses Missverständniss, etwa zu glauben, ein so
vertieftes Gefühl beruhe nur auf einer einseitigen Entwieke-
lung des Menschengeistes. Wenn in einem konkreten Falle
die Hingabe an das Allgemeine den Schmerz um persönliche
Unfälle einigermaassen zu lindern vermag, so folgt
daraus nicht im mindesten, dass eine Evolution derjenigen
Neigungen und Talente, welche auf das Leben und Wohl
des Ganzen hinzielen, mit einer relativen Atrophie persönlicher
Bestrebungen verbunden wäre. Im Gegentheil, die
normale Evolution der Sittlichkeit und des Geistes über-

*) Eine jener unbedachten Aeusserungen der Materialisteu,
über deren Fadenscheinigkeit man nachgerade den Kopf schütteln
musftj bezieht sich auf diese Nachtrauer, durch welche bewiesen
werden soll, dass der Unsterblichkeitsglauben nicht einmal einen
wirklichen Trost biete Dies meint z. ß. Büchner dadurch zu illu-
striren, dass Luther, einer der glaubensstärksten Männer der Welt-

feschichte, nach dem Tode seiner geliebten Tochter Magdalena in
ammer ausbrach. Danach müsste man ja auch, um konsequent zu
bleiben, sich wundern, wie so ein Liebender um ein geliebtes Wesen
bei zeitweiliger Trennung trauern könne, da er doch ganz bestimmt
weiss, dass es lebt. Nur dass es sich — vielleicht auf lange — in
grosser Entfernung von ihm befindet! Anstatt dergleichen luftige
Einwürfe hervorzusuchen, sollte man doch lieber die erste beste
glaubensfeste Mutter, der ihr geliebtes Kind durch den Tod entrissen
wurde, befragen, ob trotz ihres grossen Schmerzes der Glaube
an ein einstiges Wiedersehen ihr noch wirklich zum Trost gereicht
oder nicht.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1903/0557