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7U6 Psychische Studien. XXX, Jahrg. 11. Heft. (November 190".)
vorübergehender Verdunkelung des Gesichtsfeldes. Es kommt
auch vor, dass in einem solchen Augenblick dem Kranken
die unigebenden Gegenstände für einige Sekunden bedeutend
vergrössert erscheinen. Wenn nur Farben gesehen werden,
so sind sie in der Regel roth oder blau. Demnächst sind
Gehörsstörungen am häufigsten, und zwar als summende
Geräusche im Kopf oder auch Töne, wie die des Wellenschlages
auf dem Meer, aber auch laute brüllende und
brausende Geräusche. Gelegentlich stellen sich auch die
Verwirrungen des Gesichtes und Gehörs gleichzeitig ein.
Ferner sind als ziemlich häufig noch beängstigende Empfindungen
in der Magengegend zu erwähnen, die' oft in
der Eigenschaft eines brennenden Gefühls auftreten. Eine
der gewöhnlichsten Formen der motorischen Aura ist das
unruhige Hin- und Herlaufen vor einem Anfall. Manche
Kranke pflegen sich statt dessen vor dem Anfall zwei- oder
dreimal um sich selbst zu drehen. Je plötzlicher und stärker
ein Anfall auftritt, desto geringer sind die Erscheinungen
der ,,Aura". Leider ist das Vorhandensein der .,Aurau
ohne Nutzen für die Behandlung, da nur ganz ausnahmsweise
ein drohender Anfall noch vermieden werden kann,
nachdem er sich in einer der geschilderten Arten angemeldet
hat Die Erörterung der Untersuchungen über den
epileptischen Hauch führte in der letzten Sitzung der
New-Yorker Akademie der Medizin noch zu weiteren be-
achten?werthen Aeusserungen über das Wesen der Epilepsie.
Dr. Clark hält sie in allen Fällen für eine Störung in der
Gehirnrinde, gefolgt von einer explosionsartigen Erregung
der Muskelthätigkeit. Der epileptische Anfall ist danach
immer ein Nervensturm, der in gewissen Zellen der Hirnrinde
beginnt, die sich namentlich in der zweiten Schicht
der Rinde befinden. Wenn die Störung in diesen Gehirnzellen
langsamer und milder vor sich geht, macht sich eine
„Aura" stets bemerkbar. Eine Erklärung für die wunderbaren
Erscheinungen der Letzteren findet Dr. Clark darin,
dass die betreffenden Gehirnzellen in besonderer Beziehung
zu den Sinnesnerven stehen. Je länger die „Aura" dauert,
desto weniger schwer ist der Anfall, und viele Epileptiker,
die sich auf dem Weg der Heilung befinden, haben von
ihren früheren Anfällen nur noch die „Aura4* zurückbehalten.
In solchen milden Fällen ist die Anwendung von Riechsalzen
, namentlich von Salmiakgeist, zu empfehlen, um einen
etwaigen Anfall zurückzuhalten. Sehr selten, aber besonders
merkwürdig sind gewisse Erscheinungen, die Ür. Clark als
„intellektuelle Aura" bezeichnet. Der Kranke befindet sich
dabei in tiefer Träumerei mit lebhafter Rückerinnerung an
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