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Freimar: Ein Nachtrag zum Fall Rothe.
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Geistesstörung bei einem Medium ist dem Verf. nicht bekannt
; er erblickt im Mediumismus lediglich eine unter der
Suggestion der spiritistischen Hypothese entstandene Form
der Aeusserung einer hysterischen Konstitution. — Das
grösste Interesse bieten dem Psychiater die Autobiographien
und Selbstbekenntnisse der Medien, wie die 1882
in London anonym (!) erschienene Schrift „Confession of a
Medium" und das Buch: „Wie ich ein Spiritualist geworden
bintf von Dr. Cyriax, der ihm als ein „offenbar ehrliches
Medium, aber ein habitueller hysterischer Halluzinanta erscheint
. Nicht zustimmen können wir seinem schroffen Ur-
theil über die VeröSentlichungen von Dr. W. Bormann bezüglich
des Schotten Home und von Mrs. E. WEsperance (,,Im
Reich der Schatten"), worin er „ein unentwirrbares Gemisch
von irrthümlichen Auffassungen, Erinnerungstäuschungen,
Dichtung und unverschämter Lüge (!)" erblickt, indem es
sich dabei um Typen psychischer Minderwerthigkeit, um
pathologische Schwindler handle, die „unserem Verständniss
noch schwer zugänglich" sind, wenn auch die Arbeit A.
Delbrück'^*) über die „Pseudologia phantastica" für die Be-
urtheilung derartiger Persönlichkeiten mannigfache Anhaltspunkte
geliefert habe.
Gerichtliche Verfahren gegen Medien sind bisher nur
in wenigen, vom Verf. mühsam zusammengesuchten Fällen
vorgekommen. Am 18. Mai 1892 wurde Valeska Töpfer
vom Schöffengericht in Berlin zu zwei Jahren Gefängniss
und fünfjährigem Ehrverlust verurtheilt, indem ein im
Kabinet versteckter Herr ihre betrügerischen Manipulationen
beobachtet hatte; von der Berufungsinstanz wurde jedoch
ihrem Vorgeben, dass sie im Trance handelte, Glauben geschenkt
und diese harte Strafe auf sechs Wochen Gefäng-
niss herabgesetzt.
Der als Erreger des Resauer Spuks wegen groben
Unfugs bestrafte Karl Wolter soll jetzt ein ,,von Mediumismus
freier" Artist sein. Eine Schülerin der VaU Töpfer war
die „Sendbotin Christi", eine Schuhmachersfrau Ulbricht die in
Dresden spiritistische Sitzungen abhielt, in Thiendorf eine
religiöse Sekte gründete und 1887 wegen Betrugs zu 2 Jahren
Gefängniss verurtheilt wurde, weil sie Mitglieder ihrer Gemeinde
durch Trancereden zur Hergabe erheblicher Summen
veranlasst hatte. 1896 wurde in Zwickau eine Bergarbeiterfrau
£., welche Trancereden in pastoralem Ton vortrug,
mit 60 M. ev. 12 Tagen Haft bestraft, da der Saeh-
*) A. Delbrück, „Die pathologische Lüge und die psychisch abnormen
Schwindler", Stuttgart 1891.
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