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742 Psychische Studien. XXX. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1908.)
verständige, Dr. Geipel („Zwei Prozesse gegen spiritistische
Medien". Münch. Med. Wochenschrift, 1898, S. 664), Simulation
annahm, weil sie in ihrem angeblichen Trancezustand auf
einen von ihr gehörten Donnerschlag Bezug nahm. Dagegen
wurde 1889 in Zürich eine professionelle Somnambule,
die gegen Entgelt Diagnosen stellte und Heilverordnungen
machte, auf Grund eines Gutachtens des Prof. Forel freigesprochen
, der im Hinblick auf den Gesammteindruck des
somnambulen Zustands, auf die Physiognomie beim Erwachen
und die Impulse bei Ausführang posthypnotischer
Suggestionen die Annahme von Simulation für ausgeschlossen
erklärte. Kurz gestreift wird auch noch das gerichtliche
Verfahren gegen das klassische Medium Home, dessen lichtvolle
Verteidigung durch seinen Biographen Dr, Bormann
in seinem unwiderlegt gebliebenen Artikel „Der Prozes^
Lyor.-Home4 (Febr.- u. Märzheft der „Psych. Stud." er.) dem
Herrn Verf. leider unbekannt geblieben zu sein scheint.
Dass ein Medium unabhängig von der Frage der Echtheit
seiner Trancezustände für geisteskrank und strafrechtlich
unzurechnungsfähig erklärt worden wäre, scheint bisher nicht
vorgekommen zu sein. Für die Fälle aber, wo ein Trancezustand
bei Begehung der inkriminirten Handlungen nachgewiesen
ist, wird die forensische Beurtheilung darin unbedingteine
die freie Willensbestimmung auf hebende Geistesstörung
erblicken müssen, wie in dem somnambulen Zustand
nicht spiritistisch beeinflusster Personen, in den hysterischen,
epileptischen, alkoholischen Dämmerungszuständen, der Schlaftrunkenheit
etc, freilich mit dem nicht unwesentlichen Unterschied
, dass die Trancezustände von den professionellen
Medien gewollt sind und dass sie ihr Eintreten durch einen
Willensakt veranlassen, begünstigen oder auch verhindern
können. Immerhin wird der Psychiater die Vorbedingungen
des § 51 des R. Str. G. B. als gegeben erachten, sobald er
zur Ueberzeugung gelangt, dass nicht Simulation, sondern
thatsächlich echter Trance, d. h. eine traumhafte Ein-
engu ng des Bewus stseins vorlag, eine Entscheidung,
die allerdings, wie eben der Fall Rothe beweist, nicht immer
leicht ist. Die zitirte Entscheidung des Zwickauer Amtsgerichts
zeigt freilich, dass auch ohne eine ergänzende Bestimmung
des Strafgesetzes für derartige Fälle der Richter
eine ihm die Verurtheilung ermöglichende Auffassung zu
finden weiss. -
Das Interesse des Psychologen und Psychiaters wird
aber unter Umständen in noch höherem Maasse als hinsichtlich
der psychischen Konstitution der Medien durch die
i?rage nach dem Geisteszustand der an ihre Wunder glauben-
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