Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
30. Jahrgang.1903
Seite: 746
(PDF, 181 MB)
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746 Psychische Studien. XXX. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1903.)

unverrückbares, grausames Naturgesetz handeln, das nicht
blos einen etwa minder bevorzugten Theil, sondern die
Menschheit im Allgemeinen betrifft. Gesetzt, es wäre Jemand
für seine Person ein Wesen anderer, höherer Art, ein unsterblicher
, seliger Halbgott, und auch seine Lieben und
Freunde wären ebenso beschaffen: könnte er es da wohl
über sein Herz bringen, eine Einrichtung gerecht zu finden,
der gemäss die Daseinsfreude anderer fühlender und denkender
Wesen zuguterletzt in brutaler We\se auf immer erstickt
werden müsste; der gemäss ferner diesem Wesen ein unzerstörbarer
Trieb nach Liebe und Zuneigung eingepflanzt, die
Stillung dieses Triebes aber immer nur eine kurze Weile
dauern könnte, wonach ihm, sobald er erst recht gross
und heiss wurde, seine Befriedigung auf die grausamste
Weise auf ewig entzogen werden müsste? Wird man da
nicht eher an die Gerechtigkeit der Katze erinnert, die, mit
der Maus spielend, ihr einige Augenblicke Freiheit gönnt, um
sie schliesslich wieder zu fangen und dann zu zerreissen ? Ja,
dieses Gleichniss selber erinnert uns wiederum an ein anderes,
jenseits der Menschheitsgrenzen liegendes, unendlich weites
Reich von Unrecht, welches der höher strebende Mensch,
aus reinen Motiven des Mitgefühls, schlechterdings nicht
ignoriren kann. Ich meine jenes Unmaass von Mord und
Qual in dem grausamen „Kampf ums Dasein", welches zur
natürlichen Existenz des Thierreichs gehört. Schon diese
Thatsache allein genügte, um dem sittlich vorgeschrittenen
Menschen, im Sinne Schopenhauers, diese Welt als eine geradezu
scheus8liche erscheinen zu lassen, falls ihn nicht
gewisse allgemeine Betrachtungen religiöser Art, auf die wir
noch ausführlicher zurückkommen werden, auf den tröstlichen
Gedanken brächten, dass auch dieses Uebel und Unrecht
im Laufe der Zeit gewissermaassen gesühnt und entschädigt
werden könne.

Kurz, vom Standpunkt der blos zeitlichen Existenz des
Individuums ist das Leben so übervoll von natürlichem und
unbesiegbarem Unrecht, und dessen Erkenntniss so drückend
gross gegen das, was wir von Gerechtigkeit zu erreichen
hoffen dürfen, dass dem nüchternen Betrachter nachgerade
der Muth zum Fortleben fallen rauss, und man, weit entfernt
von einem „dankbaren Zufriedensein" mit der gegebenen
Welt, dieselbe eine möglichst schlecht eingerichtete, wenn
nicht verfluchte nennen möchte. Streift man sich solcher-
maassen die verführerischen Fortschrittsillusionen der Glaubenslosen
ab, so erscheinen einem deren Bestrebungen kaum
anders als das Gebahren des aufgeblasenen Frosches in
Aesop's Fabel.—


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