Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
30. Jahrgang.1903
Seite: 748
(PDF, 181 MB)
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748 Psychische Studien. XXX. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1903

Man könnte also versucht sein, zu sagen: Wer sein
Ganzes für die Wahrheit hingiebt, beweist, dass er sie mehr
liebt, als derjenige, dem noch Etwas bleibt, und daraus
folgern, dass also ersterer in ethischer Hinsicht überhaupt
höher stehe. Und doch wäre dies ein übereilter Fehlschluss.
Zunächst sei bemerkt, dass die Hingabe des Lebens nicht
das einzige, auch nicht das höchste Kriterium der Tugendliebe
ist, schon weil dasselbe unter Umständen bitterer als
dei; Tod selbst sein kann, ein solches Leben aus Liebe für
die Wahrheit wählen — also mehr wäre, als für dieselbe
in den Tod zu gehen. Ohne sich für den Nothfall auch
diesem Opfer zu entziehen, kann der Mensch seinem Sittlichkeitsideal
auch durch andere ebenbürtige, ja edlere
Handlungen dienen, z. B. durch Gemüthsopfer, indem er
sich selbst bezwingt und veredelt, was öfters viel schwerer
ist, als vermöge eines plötzlichen Entschlusses das Leben
zu wagen, und als eine besondere Art von Selbstentäusse-
ruog bezeichnet werden muss. Ferner ist es, wie gesagt,
ein grosses Missverständniss, zu glauben, der innere Lohn
sei auch gleich mit der sittlichen That verknüpft. Gesetzt,
es Hesse ein allmächtiges Wesen einem an Liebe und Mitgefühl
reichbegabten Menschen die Wahl: „entweder für
ihn und die Seinigen ein unsterbliches seliges Leben, für
alle Anderen eine Welt von Elend und Ungerechtigkeit;
oder tür ihn selbst und alle Anderen ein kurzes Dasein von
fraglichem Werthe und darauf das ewige Nichtsein", — was
würde er wohl da wählen? Sicherlich würde er nach dem
zweiten greifen, welches bei aller Bitterkeit wenigstens das
Sittlichere wäre. Würde sich ihm nun aber darnach noch
eine dritte Aussicht öflnen, d. h. die einer sowohl für ihn
als für alles Lebende nothwendigen unendlichen (wenn auch
unterbrochenen) Fortdauer zugleich mit der Möglichkeit einer
immer grösseren Anpassung an das Ideal des Glücks, und
er wählte dieses dritte als das beste —, könnte man da
wohl sagen, dass sein Liebes- und Wahrheitsgefühl, überhaupt
seine Sittlichkeit dabei abnehmen müsse und nur die
absolute Hinwegnahme des eigenen Interesses als Bürge für
sittliche Hoheit gelten könne? Offenbar nein! Es handelt
sich ja nur um denselben Menschen, der, solange ihm nur
die Wahl zwischen den ersten zwei Dingen freistand,
die eigene Vernichtung dem Unglück Anderer vorzog! In
unserer philosophisch grübelnden Zeit kommt es thatsäch-
iich vor, dass Jemand, der zeitweise, von der Wahrheit
negativistischer Doktrinen überzeugt, sich von der alten
Weltanschauung abwendet, seine bisherigen ethischen Grundsätze
und vor allem seine Wahrheitstreue keineswegs preis-

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