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M. K.: Od oder Astralleib?
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sam wäre. Zum Schluss ihrer Abhandlung klagt sie sich
aber selbst durch folgenden Satz der Vermessenheit an: „In
der Weise bei der Auslegung einer Schrift in's Einzelne zu
gehen, das dürfte sich weder der intuitiv, noch der deduktiv
wissenschaftlich verfahrende Handschriftdeuter vermessen."
Die „Richtigstellung" von Frau Baronin Ungern-Stern-
berg ist also keineswegs mit ihren Aufklärungen dazu an-
gethan, mich eines Andern zu überzeugen. Ich werde daher
auch fernerhin behaupten, dass die wissenschaftliche Graphologie
noch nicht so weit gelangt ist, um als eine annähernd
vollkommene Wissenschaft gelten zu können. Selbstredend
spreche ich ihr ihre hervorragenden Erfolge und ihren bedeutenden
Fortschritt, den sie in den letzten Jahren gemacht,
nicht ab. Ich bin aber gerne bereit, meine Ansichten zu
korrigiren, wenn es einer Autorität auf graphologischem
Gebiete, wie es sich Frau Baronin Ungern-Siernberg zu sein
rühmt, gelingt, mich von einem Irrthum zu überzeugen.
Od oder Astralleib?
Von Assessor M. M. in S.*)
Angeregt durch den Artikel von W. v. Schnelten im
Juliheft dieser Zeitschrift: „Der Doppelgänger und der
Astralleib44 sei es mir gestattet, einige Gedanken zu äussern,
die mir beim Lesen desselben gekommen sind.**)
v. Schnelten führt in logischer Weise aus, dass eine
Trennung der organisirenden und denkenden Funktionen
des Doppelgängers, der von du Prel mit dem Astralleib
identifizirt wird, zur Erklärung seines oft irrationalen Verhaltens
zu einer Sprengung des Systems der monistischen
Seelenlehre führen müsse, wie es von du Prel vertreten wird.
Dagegen ist nichts einzuwenden; denn wenn vom Doppelgänger
, der doch den Träger des untrennbaren, seelischen
Prinzips vorstellen soll, einzelne Funktionen so lösbar sind,
dass sein Verhalten dadurch in auffälliger Weise bestimmt
wird, dann ade Monismus!
Du Prel benutzt zur Erklärung aller magischen Funktionen
des lebenden Menschen wie der Phantome den sogenannten
Astralleib und identifizirt denselben mit dem „Od44
v. Reichenbach's. Es ist nun die Frage, ob er damit Recht
hat, oder ob Od und Astraüeib verschiedene Dinge sind.
*) Vergl. die Fussnote auf S. 728. — Eed.
**) Eine eingehende Entgegnung aus der Feder des 1. Vors. der
Münch. „Ges. f. wiss. Psych.", Dr. Bormann, hat sich besonderer
Umstände halber verzögert und kann daher erst im Januarheft unter
dem Titel : „Karl du Prel und die Philosophie des Bewussten'' zum
Abdruck gelangen. — Red.
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