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28 Psychische Studien, XXXI. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1904.)
sieht denn doch gar zu erbärmlich und suchte sich auf
irgend eine Weise zu helfen, wie z. B. Czolbe wenigstens
eine Ewigkeit der Erde und ihrer Bewohner fordert, um
seinen Idealen Wärme und Leben einzuflössen. Aber die
Vertreter dieser Anschauung stehen vereinzelt da und ihren
Desideraten klebt in der That etwas Abenteuerliches an.
Es bleibt also klar: wenn nicht nur der Wissensdurst des
Einzelnen nie gestillt werden kann, sondern selbst die ganze
menschliche Wissenschaft, der sich die Besten geopfert und
an der Millionen gearbeitet haben, schliesslich in das Nichts
einmünden soll —, dann bleibt dem logisch denkenden
Forscher in der That Nichts übrig, als den unmittelbaren
Genuss an seiner Arbeit für die Hauptsache zu erklären
und sich darin so behaglich wie möglich einzurichten, wie
denn auch überhaupt, nach dieser Weltanschauung, der
augenblickliche Genuss der Hauptwerth des Lebens sein
soll, was namentlich Buhring ausdrücklich und umständlich
nachzuweisen sucht. Dass aber die ganze Art dieser Verteidigung
im Grunde nicht viel mehr heisst, als ein Bemühen
, die längst ausgewachsenen Kinderschuhe wieder anzulegen
, — daran scheint man nicht zu denken.
Geradeso erfreut sich ji, auch das Kind an einer am
Wege stehenden Blume und hüpft dann sorglos weiter. Auch
Kann man sagen, dass diese Stückwerkphilosophie dem frivolen
Grundsatze betäubungssüchtiger Genussmenscben „apres nous
le deluge V ziemlich ebenbürtig ist. Eine Beschönigung des
Bodenlosen, eine Forschung, die sich mit dem Augenblick
begnügt, lässt sich nur bei einem gewissen Grad von philosophischem
Leichtsinn und absichtlichem Augenschliessen
festhalten. Ein ernsterer und nicht einseitig disponirter
Geist hingegen vermag sich auf die Dauer nicht mit solchem
philosophischen Nonsens abzufinden; entweder unterliegt er
der zersetzenden Doktrin, dann ermatten allmählich Wissensdrang
und Forschungseifer und schlagen in Apathie und
zum Selbstmord oder zum Wahnsinn disponirenden Pessimismus
um; oder er sucht ihr zu entfliehen und neue Aussichtspunkte
zu gewinnen, um die Widersprüche jener
Doktrin zu durchschauen.
Wenn sich einzelne materialistische Forscher in der
Wissenschaft hervorthaten und noch hervorthun, so beweist
dies eben nichts gegen die im Allgemeinen dennoch den
Forschungseifer auf die Dauer lähmen müssende Wirkung
einer negativistischen Weltanschauung. Sie genügen ihrem
angeborenen, bezw. anerzogenen, an sich gewiss löblichen
und bei ihnen doppelt anerkennenswerthen Wissensdrange,
ohne sich um die in der Ferne drohende Bodenlosigkeit und
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