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Kurze Notizen
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eine Ausstellung, ein illustrirtes Werk im modernen Stil
zu Gesicht bekommen haben will und seine ornamentalen
Konstruktionen infolge eines unwiderstehlichen
Impulses bald mit der E'eder — mit beiden Händen
zugleich —, bald mit dem Pinsel hinwirft, wobei er in
der Schaffung phantastischer Pflanzenformen und neuerdings
auch Aquarelllandschaften geradezu unerschöpflich ist, deren
Charakter und Farbenwirkung vielfach an Leistikow erinnert
. Die Berliner Kunstschule, der Machner von einem
sich für ihn interessirenden Künstler zugeführt wurde,
verliess er nach wenigen Lektionen, weil die Lehrer
seine impulsive, bezw. intuitive Art zu malen
(die genau der von Hans Kordon an anderer Stelle geschilderten
poetischen „Inspiration" entspricht) nicht verstanden
und er selbst sich ihrer konventionellen Methode
nicht fügen wollte. Verf. lenkt die Aufmerksamkeit der
spiritistischen Kreise auf diese neue Form übersinnlicher
Bethätigung und bemerkt mit Recht, dass derartige intelligente
Manifestationen einer höheren Geisterwelt im Sinne
Kant's für den psychologischen Forscher mindestens denselben
Wert und dasselbe Interesse, wie die physikalischen
Experimente beanspruchen dürfen.
e) Eine für Gambetta's Leben bedeutsam
gewordene Prophezeiung erzählt von seiner
Mutter Julietie Adam im „N. W. J." vom 25./X. 03 wie folgt:
Klein von Gestalt, brünnett, schmächtig und fein, mit ausser-
gewöhnlicher Lebhaftigkeit ausgestattet, hat sie nur für ihreu
Sohn gedacht, gehandelt und gelebt. Vor ihrem Gatten,
vor ihrer Tochter pflegte sie, ohne dass diese sich darob
verletzt fühlten, zu sagen: „Ihn, meinen Sohn, liebe ich
am meisten!" Sie erzählte mir einmal, nachdem ich sie in
Nizza kennen gelernt hatte, folgendes kuriose Geschichtchen:
„Ich sah als junge Frau viel jünger aus als ich Jahre
zählte, und die Leute, die mich nicht kannten, zumal wenn
ich ohne Hut, in blossem Haar erschien, nannten mich
,,Fräulein". Ich liebte es übrigens, selbst als junge Frau
mit Mädchen zu spazieren, die noch ledig waren, und man
machte mir den Vorwurf, ich sei noch ein Kind geblieben.
An einem Festtage in Cahors, als ich Arm in Arm mit
jungen Mädchen, ohne Hut, die Schaubuden eines Jahrmarktes
besah, hielten wir vor der Hütte einer Wahrsagerin
an. „Wie wär's," sprach ich, „wenn wir hineingingen
, um uns wahrsagen zu lassen ? ' Meine Freundinnen
hatten Furcht, ich nicht. Ich ziehe sie mit mir hinein und
raune ihnen zu; „Nennet mich ja nicht Madame!" — „Beginnen
Sie mit dem Fräulein!" sprach eine von ihnen, auf
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