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62 Psychische Studien. XXXI. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1904.)
Kindes sei und nach diesem gerufen habe; das Weinen des
Kindes sei die Antwort auf den Ruf. Auf seinen Eath
grub man ein Loch in den Boden und machte ein Feuer
darin an. Das Kind wurde dann lebend hineingeworfen
und verbrannt, der „beleidigten Gottheit zu Ehren". In
gleicher Weise wurde mit der Mutter verfahren. Der Pui-
mann und seine Helfer sind jetzt wegen Mordes vor Gericht
gestellt.
/) Warnung. Trotz der mehrfach in der deutschen
Tagespresse erfolgten Warnungen vor dem „New-York
Institute of Science" in ftochester, Staat New-York, welches
Korrespondenzkurse in Hypnotismus, Mesmerismus, Okkultismus
, Magnetismus, Suggestion u. s. w. zum Preise von
25 Mk. anbietet, finden sich immer noch leichtgläubige
Leute, die sich durch die schwulstigen, reklamehaften Anpreisungen
des Instituts das Geld aus den Taschen locken
lassen. Es sei deshalb wiederholt darauf hingewiesen, dass
es sich bei dem »New-York Institute of Science * in
Rochester um ein Schwindelunternehmen gefährlichster Art
handelt, vor dessen Anerbietungen das deutsche Publikum
nicht dringend genug gewarnt werden kann.
Tübingen, im Dezember 1903.
Red. der „Psych. StucL"
Iiitteraturbericlit.
A. Bücherbesprechungen.
Kausalität, Teleologie und Freiheit. Von Ludwig Siem in Bern. Abgedruckt
aus ÜsuvalCs Annalen der Naturphilosophie. Zweiter
Band. Verlag von Veit & Comp, in Leipzig. 19 Seiten. 8°.
Von der durch Scharfsinn und Klarheit ausgezeichneten -Abhandlung
sei der Inhalt hier kurz wiedergegeben. Die Ordnung in
der Aufeinanderfolge unseres inneren Erlebens übertragen wir auf
ein nothwendig hinzugedachtes Aussen. Zwei Ordnungsreihen treten
hier deutlich aus einander. Die erste, eine feste, lückenlos verkettete
, keinerlei Abbiegungen oder Abirrungen im Ablauf der Vorstellungsassoziation
zulassende Ordnung fassen wir in dem Begriffe
der Kausalität zusammen. Kausalität ist also der zum Begriff verdichtete
Ausdruck unfehlbarer, keinerlei Ausnahme zulassender Konstanz
im Ablauf unserer Vorstellungen; sie hat, logisch ausgedrückt,
den Charakter des apodiktischen Urtneils. Die andere Ordnungsreihe
zeigt zwar auch einen bestimmten Bhythmus im Ablauf der
Vorstellungen, aber keinen so starren und unveränderlichen; sie
stellt sich überall da ein, wo wir den Vorstellungsablauf unter den
Gesichtspunkt des Zweckes rücken. Diese teleologische Deutung,
die auf Motive zurückgeht, welche sich aller Kontrolle, somit alier
festen VorausbeStimmung entziehen, bietet nur die abgeschwächte
Sicherheit eines hypothetischen Urtheils dar, und daher sind menschliche
Handlungen nie mit unfehlbarer Sicherheit, wie das mechanisch
-kausale Geschehen in der Natur, im Voraus zu berechnen.
Die teleologische Deutung ist älter als die kausale. Der anthropo-
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