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Litteraturbericht.
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morphisirenden, mythologisirenden und personifizirenden Denkweise
der Alten lag es näher, die Verallgemeinerungen der inneren Erlebnisse
nach persönlichen Motiven, denn nach unpersönlichen Ursachen
oder Zuständen zu vollziehen. So entstanden Fetischismus, Tote-
mismus, Animismus, Naturbeseelung, Traumverkörperung als religiöse
, Hylozoismus und mikro- wie makrokosmische Deutungen als
erste philosophische Welterklärungen. Nach Mach stammen die
Begriffe der wirkenden Ursache und des Zweckes ursprünglich
gleicherweise von animistischen Vorstellungen ab; der Verfasser
sieht in Ursachen sowohl, als auch in Zwecken Denkbehelfe zur
Orientirung in der Aussenwelt — Ausflüsse unseres Sinnes für Ordnung
. Unser Einheitsbedürfniss — das Ich-Bewusstsein — schafft
zuerst synthetisch, sodann analytisch, anfangs provisorische Ordnung
(unter dem Gesichtswinkel des Zweckes), später definitive
(unter den: der Ursache). Finalität und Kausalität sind die beiden
grossen Ordnungsprinzipien, gleichsam die Wissenschafts-Begister
alles Geschehens. Der grosse Lebenstraum , es müsse dereinst gelingen
, alle Kausalität nur als Spezialfall der Finalität aufzudecken,
alle mechanischen Ursachen in ewige Zweckgesetze aufzulösen, ist
und bleibt nach des Verfassers Meinung ein Traum. Dafür leistet
die teleologische Erklärung um so grössere Verdienste auf dem Gebiete
der Soziologie. Hier hellt sie den Sinn des Lebens und den
Plan menschlichen Zusaramenarbeitens auf. Wo das Geschehen
sich in ein Thun, ein Handeln verwandelt, ist die teleologische Betrachtung
die einzig gebotene und berechtigte, gleichsam unser
Lebensregulator, der Kompass unseres Lebensschiffleins auf dem
uferlosen Meere des Daseins. — Aus moral-statistischen Konstanzen
hat man vielfach gefolgert, dass nunmehr der endgültige Beweis
für den Determinismus zahlenmässig erbracht sei. Damit wäre die
moral-statistische Prädestination zur Sünde erwiesen, der Mensch
zum mechanischen Produkt von Klima und Boden, von Kasse und
Umgebung, von Vererbung und Konstitution herabgedrückt. Der
Verfasser findet aber durch die Moralstatistik gerade das Gegentheil
des strengen Determinismus bestätigt. In fünf Prozent aller beobachteten
Fälle stimmt das Milieu-Exempel nicht: denn das Individuum
schiebt im Spiel seiner Motive manches Unkontrollirbare
und Inkommensurable ein, das aller Schemaüsirung, allem Milieu-
Zwang spottet. Die soziale Teleologie wirkt arterhaltend, sofern
sie uns für das Spiel unserer Motive, worin nach des Verfassers Ansicht
unsere Freiheit besteht, empirisch abgeleitete Regeln, Zweck-
mässigkeitserwägungen, Gattungserfahrungen über die nützlichsten,
lebenerhöhenden, also arterhaltenden Formen menschlichen Handelns
in Bereitschaft hält. Wir sind nicht Herd enthiere; ein bescheidenes
Maass von Freiheit hebt uns von der Thierwelt ab und stempelt
uns zu Lebewesen höchster Ordnung. Wienhold.
B. Zeitschriftenübersicht
Anstatt der fortlaufenden Inhaltsangabe, die wir sonst an
dieser Stelle bringen, folgt heute nur die Zusammenstellung
derjenigen Zeitschriften, von denen bisher regelmässig Tauschexemplare
eingegangen sind.
Zeitschrift für Spiritismus und verwandte Gebiete. Leipzig, Oswald Mutze.
Red. Feilgenhauer.
Die übersinnliche Weit. Berlin. Red. Max Rahn.
Die Gnosis. Mit den wissenschaftlichen Mittheilnngen des Vereins für OkkuW
tismus. Wien. R. Hielle.
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