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68 Psychische Studien, XXXI. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1904.)
sie sich entsinnt, auch ein grosses, daumenbreites, rothbraunes
Kreuz in der Magengegend, das nie Blut, sondern
Wasser ergiesst." Der Leib war durch schwere Krankheit
so abgemagert, dass man durch ihn das Rückgrat fühlen
konnte, „weil die seit sieben Jahren fast ganz leeren Eingeweide
schier gar keinen Raum mehr einnahmen." Dafür,
dass die Emmerich eine echte Somnambule mit übersinnlichen
Fähigkeiten gewesen ist, spricht auch das mehrfach
an ihr beobachtete Phänomen des Leishtwerdens,
einer Art Levitation, „wobei (nach du Prel)*) die
natürliche Schwere der Körper vermindert oder aufgehoben
wird." Brentano berichtet: „Sie wird federleicht, nein
schwebend; der allerleisesten Berührung weichen alle ihre
Glieder. Mit wahrer Wuth stürzte die Emmerich „mit den
Händen" stets auf die drei (in der Priesterweihe) kon-
sekrirten Finger des Priesters, der ihr nahte, ja sie will
diese leuchten sehen. Als der Dechant Overberg Reliquien,
deren Herkunft der Emmerich unbekannt war, an Brentano
gesandt hatte, damit dieser sie ihr vorlege, ereignete sich
ein eklatanter Fall von dem, was man heute — seit /. R.
Buchanan und W. Benton — Psychometrie nennt.
Diese Reliquien schalteten bei der Emmerich, der sie meist
in die Hand gegeben oder umgehängt wurden, also durch
körperliche Berührung, eine seelische Feinginnigkeit
aus r welche bei ihr dann der Seele dieser Dinge
(„Soul of things" nach dem Titel von Benion9 s Werke) entsprechende
Halluzinationen erweckten. Als sie z. B. einen
Knochensplitter des hl. Augustinus, in einer Seemuschel eingeschlossen
, erhielt, erschien ihr in der Nacht dieser Heilige,
auf einem Seethier stehend. Als man ihr aber Knochensplitter
aus einem Hünengrabe gab, stiess sie diese mit
Abscheu zurück und erklärte (gleich der Seherin von
Prevorst), dass die Substanz des Seligen leuchtend, die des
Unseligen finster sei. — Freilich ist zu diesen psychometrischen
Thatsachen zu bemerken, dass niemals die Möglichkeit
einer Gedankenübertragung dabei ausgeschaltet
war. —
In ihren Visionen spielte die Emmerich oft mit dem
Jesuskinde, säugte es und entfaltete eine brünstige Leidenschaft
zum „Seelenbräutigam" Jesus. „Ich hatte mich ganz
meinem himmlischen Bräutigam hingegeben und er that
mit mir, wie er wollte," sagt sie. Dr. Le Berts weist nun
mit vollem Rechte auf die nahe Verwandtschaft der reli-
*) C. du Prel, „Die Magie als Naturwissenschaft": „Die magische
Physik" VII, l.
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