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Dank mar: Geistige und soziale Strömungen etc. 73
bärmlichkeiten, sondern ein ganzes, starkes, wahrhaft organisch
gefügtes Werk unter der Schirmherrschaft seiner
Kaiser, zu dem sich die übrigen zugewandten nichtdeutschen
Provinzen in ein unschwer aufzufindendes soziales Verhältnis
setzen Hessen/4*) Mit Nachdruck eifert er gegen die
Demagogenverfolgung und die Reaktion in Preussen, und
es verdross ihn stets, dieses den Polizeidiener für Metternich
und Czar Alexander I. machen zu sehen. „Es ist ein
Jammer um die teutschen Regierungen, dass sie blind und
taub und stumpf für alle Erfahrungen umhertaumeln und
die Völker mit sich ins Verderben ziehen."
In literarhistorischer Hinsicht ist zu bemerken, dass
sich Görres der Richtung anschloss, welche Herder 1778 mit
seinen „Stimmen der Völker in Liedern" eröffnet hatte. Da
ihn auch .Freundschaft mit dem Herausgeber von „Des
Knaben Wunderhurn" verband, so gab er selbst die
„Deutschen Volksbücher" heraus, denen später die „Altdeutschen
Volks- und Meisterlieder'' folgten, nach den Handschriften
der Heidelberger Bibliothek. An seiner „Christlichen
Mystik" hat Görres volle zwölf Jahre gearbeitet und
ein Riesenmaterial — grösstentheils Quellen — dazu verwertet
. Und beinahe wäre es geschehen, dass dieses
Standard work des ultramontanen Görres auf den „Index
librorum prohibitoruni" gesetzt worden wäre! Trotz der
höhnischen Perfidie, welche Görres in seiner (letzten)
Münchener Periode — König Ludwig I. von Bayern hatte
ihn an die dortige Universität berufen — dem Protestantismus
bewiesen, erfordert es die Gerechtigkeit zu sagen, dass
seine Gelehrtheit, sein Wissen wirklich tief war. „Görres1
Wissen auf allen Gebieten war ungeheuerlich, und wenn
Ranke bei der unermesslichen Forschung nur mehr Spezial-
forschung für möglich erklärte, so war Görres der letzte
Universalhistoriker auf dem Katheder", sagt Görres* Biograph
Sepp.
(Fortsetzung folgt.)
*) Görres: „Die hlge. Allianz und die Völker auf dem Kongresse
zu Verona", p. 83. Diese interessante zeitgenössische Flugschrift
ist 1822 in Stuttgart erschienen. Sehr lesenswerth, da sie
von Gömetf grosser Gesinnung und hinreissendem Stile zeugt, ist
dessen: „Teutschland und die Revolution" (II. Aufl. Teutschland 1819).
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