Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
31. Jahrgang.1904
Seite: 84
(PDF, 224 MB)
Bibliographische Information
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84 Psychische Studien. XXXI. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1904.)

Es war am Abend des 1. August. Nach eingenommenem
Mahle befand ich mich allein in dem Speisezimmer, an das
mein Arbeitszimmer stiess. Die Verbindungsthüre zwischen
beiden Räumen war geöffnet und ich wandelte mit einer
Zigarette im Munde auf und nieder. Woran ich damals
dachte, dessen entsinne ich mich heute nicht mehr, doch
weiss ich ganz bestimmt, dass ich aus meinem Gedankengange
plötzlich durch das, was man gewöhnlich einen „Einfall
" nennt, herausgerissen wurde. Mein „Einfall" war aber
ganz eigenartig, denn er bestand aus einer geordneten,
rhythmischen Gedankenreihe, die niederzuschreiben ich so
heftig gedrängt wurde, dass ich mich nicht in mein Arbeitszimmer
begab, sondern mich augenblicklich an den Tisch
im Speisezimmer setzte und die Verse, die mir telepathisch
übermittelt wurden, auf ein Blatt Papier schrieb. Dabei
empfand ich einen fremden Einfluss, der mich im Innersten
erregte: es war dichterische Begeisterung, in der ich
mich befand, ein Zustand seliger Verzückung, mir nicht
unbekannt, weil ich mich ja als Dichter auch schon früher
versucht hatte. Gerade deshalb kamen mir zwei Momente
deutlich zum Bewusstsein; dass die Verse, die ein vollendetes
vaterländisches Gedicht darstellten, von mir nicht ersonnen
worden waren, obwohl ihr Empfindungsgehalt aus der
Tiefe meiner Seele geschöpft zu sein schien. Auf s Aeusserste
betroffen, von einer seltsamen Rührung ergriffen, eilte ich
in das Arbeitszimmerchen meiner Frau, um ihr, die freudig
überrascht war, mein gedieht vorzulesen. Nach dieser Erfahrung
am eigenen Leibe, wenn dieser Ausdruck gestattet
ist, die sich seither überaus häufig wiederholte, glaube ich
dem Verständnisse dessen, was man Inspiration im allgemeinen
und dichterische Inspiration im besonderen nennt,
näher gekommen zu sein, zumal unsere Inspiratoren es sich
angelegen sein liessen, meine Einsicht in mehrfacher Weise
zu vertiefen. Vor allem dadurch, dass sie uns in der nächsten
Zeit den Beweis lieferten, wir seien weder die geistigen
Urheber der Gedichte, die wir fast Tag für Tag schrieben,
und noch viel weniger die Urheber*) der grösseren Dichtungen,
die damals in unglaublich kurzen Zeiträumen entstanden.
Es sind dies vier dramatische Werke, zwei Schauspiele in
je vier Aufzügen und einem Vorspiele, eine Trilogie,

*) Den Ausdruck „Urheber* gebrauche ich mit voller Absicht,
weil er mir auf das Wesen der Inspiration am bezeichnendsten hinzudeuten
scheint. Verfasser der von uns geschriebenen Dichtungen
dürften wir uns ohne Ueberhebung nennen können, keineswegs aber
Urheber, wenn man dieses Wort in seiner tieferen Bedeutung
erfasst. D. Verf.


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