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86 Psychische Studien. Jahrg. XXXI. Hett 2. (Februar 1904.)
ihr theilweise widerspiegelt, musste ihre Theilnahme vor Allem
in hohem Grade fesseln. Ausserdem war sie von den auf
uns gewissermaassen einstürmenden Phänomenen nicht
weniger überrascht als ich und empfand dasselbe lebhafte
Verlangen, die Wahrheit zu ergründen. Unter gar
keinen Umständen würde sie mich wissentlich und
mit Absicht getäuscht haben; ein unbewusster
Betrug, wie dergleichen auch bei durchaus redlichen Mittlern
und Mittlerinnen schon beobachtet und festgestellt worden
ist, konnte jedoch in unserem Falle nicht stattfinden, weil
sich meine Frau immer des vollen, ungetrübten Bewusst-
seins erfreute. Endlich lassen Erscheinungen der nächsten
Zeit, namentlich mein eigenes Schaffen unter fremdem Einflüsse
, der sich auch auf gewisse Muskeln meines
Körpers erstreckte, die oben berührte Annahme als hinfällig
erscheinen.
Die Ausarbeitung des Schauspiels „Durch Leid zum
Licht" wurde nicht mir allein überlassen, sondern meine
Frau diktierte das aus vierfüssigen Jamben bestehende Vorspiel
. Einen kurzen Prolog schrieb ich unter fühlbarer
Inspiration. Hierauf wurde mir durch den Mund meiner
Frau bedeutet, ich möge an die weitere Ausführung
schreiten. Ich leistete dieser "Weisung ohne besondere
Schaffensfreude Folge und die Arbeit gedieh auch
nur langsam. Hierbei war jedoch der Umstand überaus
bemerkenswert, dass ich auf Fehler und Versehen durch
meine Frau, die sich in einem Nebenzimmer befand, aufmerksam
gemacht wurde, sei es, dass sie sich in Folge
eines gewissen Zeichens zu mir begab, sei es, dass ich sie
aulsuchte, wenn ich selbst an der Richtigkeit des Geschriebenen
zweifelte. In jener Zeit vernahmen wir, vornehmlich
meine Frau in ihrem Arbeitszimmer, ziemlich
häufig ein eigenthümliches Geräusch, das sich am Besten als
ein Schnalzen oder Knacksen bezeichnen lässt.
Sonst haben wir solche und ähnliche Geräusche sehr selten
wahrgenommen; als ich im Spätsommer 1901 an dem unvollendeten
Lustspiel „Liebeszauber" arbeitete, hörte
ich zuweilen ein seltsames Knistern, das aus der Platte
des Tischchens, an dem ich schrieb, hervorzudringen schien.
Meine Frau hatte sehr bald herausgefunden, dass jenes
Schnalzen sich vernehmen Hess, wenn ich mich wieder einmal
gründlich „verhört* hatte, d. h. wenn sich in meine
Arbeit wieder ein Fehler eingeschlichen hatte. Diese Art
des Schaffens verursachte mir einiges Unbehagen, denn ich
fühlte mich meiner geistigen Freiheit gewissermaassen beraubt
, aber um der Sache willen unterdrückte ich meinen
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