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v. Seeland: Die Logik der materialistischen Lehre etc. 105
besonderer Willensstärke über sieh gewinnt, das gepriesene
Heilmittel der Materialisten, nämlich angestrengte Arbeit
und Theilnahme an dem sogenannten Ganzen, zu gebrauchen,
so sieht man gerade an den tiefer Fühlenden recht, wie
wenig ausreichend dieses vielgepriesene Mittel ist, zumal sie,
durch das eigene Unglück gewitzigt, jetzt einzusehen pflegen,
wie illusorisch und unerreichbar das Wohl dieses „Ganzen"
ist, solange ihm nur das Fortschrittsrezept des Materialismus
zu Gebote steht. Bei aller Arbeitsbetäubung sind sie
nicht mehr die Alten; der freudige Schwung ist auf immer
dahin. Nur die leicht Vergessenden und dabei einseitig
Veranlagten haben es unter solchen Umständen leichter;
diese mögen sich wohl mitunter noch als fleissige Arbeiter
auf dem Felde der Wissenschaft, der Politik, der Arbeiterbewegung
und dergl. hervorthun und dabei vorsätzlich ihre
persönlichen Herzensangelegenheiten so viel wie möglich
ignoriren, also sich einer absichtlichen Betäubung und Verhärtung
der Empfindung befleissigen. Dass aber eine solche
keinesweges der höheren Entwicklung des geistigen Typus
entspringt, davon war schon in einem früheren Kapitel die
Rede, wo gezeigt wurde, dass eine solch einseitige, sittliche
Richtung nicht als wahrhafte Evolution der Moral betrachtet
werden kann. —
(Fortsetzung folgt.)
Genialität und Verrücktheit,
Eine okkultistische Studie von Kart Rens»*)
In seinem epochemachenden Werke „Genie und
Irrsinn41 weist der berühmte Turiner Psychiater, Professor
Cesare Lombroso, an der Hand einer Fülle von Thatsachen
und Beispielen eine gewisse geistige Verwandtschaft zwischen
genialen und irrsinnigen Menschen nach. Und sein im
letzten Grunde materialistisches Erklärungsprinzip fusst auf
dem allgemein anerkannten Gesetze der Vererbung. Ein
solcher Hinweis vermag nun zwar in die physiologische
Verwandtschaft einiges Licht zu bringen. Die viel wichtigere
psychologische Seite des Problems aber lässt diese Antwort
völlig unberührt Es gilt nicht nur die äusseren Bedingungen
, sondern dieinnerenUrsachender Wirkungen
zu ergründen, die wir vor uns sehen.
*) Der unter obigem Schriftstellernamen rühmlich bekannte
Verf., Herr Waitker Becker (jetzt Gymnasiallehrer in Godesberg
a Rh.) hatte die Güte, diesen von ihm s. Z. in der „Deutschen
Akadem. Vereinigung" zu Buenos Aires gehaltenen geistvollen Vortrag
uns zur Verfügung zu stellen. — Red.
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