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114 Psychische Studien. XXXI. Jahrg. 2. Heft (Februar 1904.)
schmälichen Tod, bey*) der Einfalt der damaligen Zeit,
zugezogen haben, so kommt man oft auf die Gedanken, ob
nicht dergleichen Eingeständnisse durch Bosheit untergeschoben
seyn möchten.
Folgende Geschichte wird diese Sache erläutern, und
ein Beispiel abgeben, wie wenig man bey Personen, welchen
Schwermuth und ein siecher Körper die Einbildung verdirbt
, und das Leben unerträglich macht, auf die Angabe
verübter eigener Uebelthaten gründen könne.
Eine 45jährige unverheyrathete Frauensperson, deren
Mutter seit 22 Jahren blind und lahm gewesen, deren
Schwester nach einer langwierigen Auszehrung gestorben,
und deren Bruder seinen öfteren Beängstigungen nur dadurch
abhilft, dass er durch starkes Arbeiten sich heftige
Bewegung macht und sehr massig lebet, kam auf den Gedanken
, dass sie durch Zaubereyen dieses Unglück ihren
Verwandten zugezogen habe. Sie behauptete, dass ein gewisser
Teufel, dessen Gestalt und Kleidung sie sehr umständlich
beschrieb, sie die Kunst gelehrt habe, alles dasjenige
zu vergiften. Die erste Probe dieser Kunst habe sie
an ihrer Mutter, ihrer Schwester, ihrem Bruder und an der
Heerde Kühe in ihrem Dorfe gemacht, welche letztere ganz
ausgestorben wäre.
Alle Unglücksfälle, welche in der Gegend sich zugetragen
, schrieb sie ihrer Zauber-Kunst zu, und warnte
jedermann, sich vor ihrem Anblicke in Acht zu nehmen,
weil sie wicler ihren Willen schaden müsste. Sie entschloss
sich endlich, ihrem Leben ein Ende zu machen, um nicht
noch mehreres Unglück zu stiften. Sie entlief ihren Anverwandten
, sprang in ein Wasser, aus welchem sie nur mit
vieler Mühe gerettet werden konnte.
Nunmehr kam dieser Vorfall einem Hannoverschen
Amte zur Wissenschaft, welches die Zauberin nicht in
Inquisition, sondern in sichere Verwahrung und Verpflegung
nahm. Ihre bleygelbe Farbe verrieth sehr genau, von
welcher Legion ihr Lehr-Meister sei, und es wurde sogleich
ein Arzt, welcher sich durch Heilung der bereits ausgebrochenen
Wasserscheu, nach dem Bisse eines tollen Hundes,
so verdient gemacht hat, zu Hülfe gerufen, diesen Teufel zu
verbannen.
*) Die alterthümliche Orthographie habe ich beibehalten. D. Eins.
— Auf Karte, dat. Dover, 17 Maison Dieu Road, vom 6.1. 04, theilt
uns der Herr Graf mit, dass die im vor. Heft S. 19 (Fussnote) erwähnte
Notiz der „Woche* sich auf seinen Vater bezog, der leider
am 20. Nov. v. J. im 56. (nicht 66.) Lebensjahre einem langen,
schweren Nierenleiden erlag. — Red.]
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