Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
31. Jahrgang.1904
Seite: 118
(PDF, 224 MB)
Bibliographische Information
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118 Psychische Studien. Jahrg. XXXI. 2. Heft. (Februar 1904.)

Pariser Bürgerfamilie angehört, soll geheim bleiben; wir
nennen sie deshalb mit ihrem Vornamen Madeleine. Vor
einem Jahr litt sie an heftigen Kopfschmerzen und wandte
sieh auf Rath eines Arztes an die „Schule für Magnetismus
Emile 3fagnin, einer der Lehrer dieser Schule, erprobte
nun an ihr die „ Therapeutik des Schlafes." Nach vier
Sitzungen gelang es ihm, sie einzuschläfern, und die Behandlung
ging ohne Zwischenfall weiter, als eines Tages
die Uhr des Alagnetiseurs schlug, während die Kranke unter
dem Einfluss des magnetischen Schlafes stand. Der Arzt
bemerkte plötzlich, dass Madeleine auf den Ton „reagirte".
Das Experiment wurde fortgesetzt; auf dem Klavier wurden
Akkorde angeschlagen. Der Gesichtsausdruck 3Jadeleine\
der sich bei den tiefen Tönen verdüstert hatte, glänzte vor
Freude, sobald die hohen Töne des Instruments ertönten.
Eine Melodie wurde ihr vorgesungen, die Geste und der
Ausdruck der Kranken lieferten in demselben Augenblick
Note für Note eine Uebertragung, sozusagen eine mimische
Erklärung, deren Genauigkeit Magnin in Erstaunen setzte.
Ein Photograph wurde gerufen, der diese Ergebnisse mit
dem Kinematographen aufnahm, und der Versuch erschien
wie eine Art Offenbarung. Sicherlich hätte kein Künstler
von einem Modell die unendliche Mannigfaltigkeit an Stellungen
und Ausdrücken erhalten können, die der magnetische
Schlaf hier hervorgerufen hatte. Der Fall wurde
Rod in mitgetheilt, und dieser wollte selbst sehen. Madeleine
war auf antike Art mit einem weichen Stoff bekleidet, der
wie ein Peplum angeordnet war. Sie setzte sich und war
nach mehrmaligem schnellen Streichen eingeschläfert. Die
grossen Augen waren geöffnet, aber starr; die Arme hingen
weich am Körper herab. Sie befand sich in einem Zustand
der Lethargie. Ein Freund Magniris, der Universitätsprofessor
Edmond Flegenheimer, setzte sich an's Klavier.
Seit einem Jahr wohnt er allen Experimenten, deren Gegenstand
Madeleine ist, bei. Bei den ersten Tönen erhebt sie
sich; eine Art Ekstase verklärt sie, und jetzt wird sie von
der Melodie geführt . . . Ich werde niemals die Art vergessen
, wie sie durch Gebärden und Gesichtsausdruck
Chopin's „Trauermarsch" ausgelegt hat, sie Hess daraus ein
Gedicht des Schmerzes und der Hoffnung hervorgehen, das
Keiner von uns schon darin gelesen hatte; denn diese
Mimik war wirklich eine Rezitation, in der jede Bewegung
des Gesichtsausdrucks, jede Gebärde die Schönheit eines
Wortes und die Klarheit einer Schlussfolgerung hatte. Wir
sahen sie nicht an, wir hörten sie leiden, und in dieser Minute
brachte sie uns ausser Fassung. Das Spiel hörte auf.


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