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Dankmar: Geistige und soziale Strömungen ete.
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die Darlegung und Auflösung der den Begriffen innewohnenden
Widersprüche; diesen Prozess nannte Hegel
Dialektik. In der dialektischen Methode, in dem triadischen
Rhythmus, in dem Dreivierteltakt von Thesis, Anti-
thesis und Synthesis glaubte der Meister das Geheimnis
der grossen Weltsymphonie entdeckt zu haben. Die Logik
ist als das System der reinen Vernunft, als das Reich des
reinen Gedankens zu fassen. „Dieses Reich ist die Wahrheit
, wie sie ohne Hülle an und für sich selbst ist. Man
kann sich deswegen ausdrücken, dass dieser Inhalt die
Darstellung Gottes ist, wie er in seinem ewigen Wesen
vor der Erschaffung der Natur und eines endlichen Geistes
ist." Die logischen Kategorien werden zu ontologischen,
die Logik zur Metaphysik. Das spekulative Denken
besteht nach Hegel darin: den Widerspruch (das „prinei-
pium contradictionis") und in ihm sich selbst festzuhalten.
Rosenkranz, der Kommentator Heget's, sagt: „Der Widerspruch
aber im engeren Sinne wird von Hegel selber als
eine besondere Form der Entgegensetzung des Positiven
und des Negativen unterschieden, nämlich als diejenige, in
welcher die Extreme des Gegensatzes sich actu negiren und
duich ihre gegenseitige Aktuosität sich auflösen.44*) Es
giebt die Möglichkeit einer höheren Einheit, als der der
generischen Identität, nämlich die Harmonie, als Aufhebung
des Widerspruchs der entgegengesetzten Extreme durch
ihre Versöhnung in einer konkreten, d. h. den Gegensatz
in sich fassenden Einheit. Sowie die menschlichen
Denkformen den Existenzformen der Dinge entsprechen
müssen, so ist das Kriterium aller objektiven Wahrheit
die subjektive Denknothwendigkeit. Aus Sein und Nichtsein
entsteht der Begriff des Werdens und der Widerspruch
ist das eigentlich Bewegende der Welt. —
Das ist, kurz angedeutet, in grossen ümrissen „das diamantene
Netz der Begriöe", von dem Meister Hegel selbst-
bewusst sprach, unter welchem das Abstrakte sich vergeblich
bemühte, Konkretes zu erzeugen und der Verstand im
dürren Schematismus erstarrte.
Indem wir uns HegeVs „Encyclopädie**) zuwenden,
werfen wir die Frage auf, die unseres Wissens noch von
keinem okkultistischen Schriftsteller vor uns aufgestellt
worden ist, — die Frage: wie verhält sich Hegel zum
*) Karl Rosenkranz: „Erläuterungen zu HegeVs Encyclopädie
der philosophischen Wissenschaften" (1870) p. IL
**) G. Fr. fp. Hegel's: „Encyclopädie der philosophischen
Wissenschaften im Grundrisse,* Mit Einleitung und Erläuterungen
herausgegeben von Karl Rosenkranz.
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