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Kordon: Geistiges Schaffen unter Inspiration. 147
"Weibe geführt wurden. Nachdem ich noch ein Weilchen
aufwärts geeilt war, erwachte ich, furchtbar erregt und erschöpft
. Deutlich glaubte ich, während ich aufwachte, die
beruhigend gesprochenen Worte zu hören: „Nichts, nichts,
nichts!" Rings Nacht und Stille. Mein Mann lag neben
mir in friedlichem Schlafe."
Meine Frau hatte früher niemals ähnliche „Träume"
gehabt und auch seither träumte sie nicht wieder Derartiges,
doch ist uns gesagt worden, dass sich solche Traumgesichte
wiederholen würden. Auch ich würde ähnliches in „Träumen*
erschauen. —
Bald nach der Vollendung der Trilogie begann ich an
einem gross angelegten, fünfaktigen Trauerspiele („Im
Banne des Unrechts") zu arbeiten, das, in Prosa
geschrieben, ebenfalls sehr rasch ausgeführt wurde.
Auch die Fabel dieser psychologisch vertieften Dichtung,
deren Hauptpersonen lebenswahr hervortreten, war sowohl
mir als meiner Frau völlig unbekannt; selbstverständlich
auch der Aufbau der Handlung.
Nachdem ich sodann die Komödie „Liebeszauber"
begonnen hatte, wurde die Inspiration immer seltener, um
im November gänzlich aufzuhören und, nach einer einzigen
Unterbrechung am 23. Januar 1902, erst am 27. März desselben
Jahres wieder zu beginnen.
Hier ist noch nachzutragen, dass meine Frau in der
ersten Periode unseres geistigen Schaffens auch Gedichte
schrieb, die in einer Sammlung unter dem Titel „Himmelsrosen
" veröffentlicht werden sollen; ferner, dass ich in
der Zeit, als wir uns mit den „Intelligenzen" auf typto-
logischem Wege verständigten, einmal auf meine Frage, ob
ich eine gewisse poetische Absicht verwirklichen würde, die
ich nicht infolge bewusster Inspiration hegte, angeblich von
dem Geiste Schopenhauers die Antwort erhielt: „Nein, dein
Sohn." Mir waren damals erst zwei Töchterchen geschenkt
worden, von denen das jüngere kaum drei Monate zählte, aber
im Februar 1903 wurde mir in der That ein Knäblein geboren;
endlich, dass ich am Nachmittage des 9. August 1901 unter
plötzlichem Antriebe das Vorwort eines Werkes schrieb,
an dessen Ausarbeitung ich nie zuvor gedacht hatte und
niemals denken konnte, denn es sollheissen: „Die ewige
W a h r h e i t. Ein Buch der Bekehrung und Belehrung für
jene, die vom Wunsche beseelt sind, zu wissen, von wannen
wir kommen und wohin wir gehen." Das Vorwort hat folgenden
Wortlaut:
„Es ist kein gewöhnliches Buch, das ich hiemit meinem
geliebten deutschen Volke vertrauensvoll in die Hände lege,
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