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Bormann: Karl du Prel und die Philosophie des Bewussten. 1(55
heiten? Was gewinnen wir mit alledem für die Gerechtigkeit
? Auf den unendlichen Bahnen der Zukunftsentwickelung
darf man sie suchen, auch in der Nothwendigkeit
jedes verschiedenartigen Daseins an seinem Platze, doch
nie in der verflossenen Erscheinungswelt.
Kann aber dem Absoluten das gerade mangeln, was
wir als das der ganzen Welt und unserem Entwickelungs-
drange überschwebende Ziel kennen? Es schlägt unserer
Vernunft ins Gesicht, wenn wir etwa aus den Mängeln
unseres irdischen Bewusstseins oder aus dem unbewussten
Endlichen Analogieen für das Absolute entnehmen. Einen
absolut blinden Willen gar, den es nirgends
giebt, giebt es für das Absolute erst recht
nicht. Jeder Wille ist vom Gefühl in Bewegung gesetzte
Vorstellung. Ich hoffe hierüber bald in eigener Arbeit
zu handeln. Dass nun du Prel umgekehrt für alles vollkommen
Zweckvolle die ursprüngliche Leitung
des Bewusstseins verlangte, — wie auch Kant seine
intelligible Welt „das Reich der Zwecke*4
nannte, schwerlich im Glauben an dessen Unbewusstheit, —
und wie du Prel ein verschleiertes Bewusstsein in dem uns
noch Unbewussten erkannte, dieses ist der ausnehmende
Vorzug seiner daher wahrlich nicht naturalistischen
, sondern höchst geistigen Philosophie.
Arthur Drews in seinem Buche „Die deutsche Spekulation
seit Kant mit besonderer Rücksicht auf das Wesen
des Absoluten und die Persönlichkeit Gottes* (Berlin,
P. Mater 1893) Band II macht du Prel ziemlich dieselben
Einwände wie jetzt Schnellen, und wirft ihm überdies vor,
dass seine Ethik mit ihrem transscendentalen Egoismus
(s. S. 477) Pseudomoral sei. Solcherlei Bemängelung des
transscendentalen Egoismus habe ich schon an anderem
Orte widerlegt (Beitr. zur Grenzwissenschaft 1899, S. 135 f.),
indem ich verdeutlichte, dass man unmöglich jenem das
Ködern der Tugend mit einem Lockmittel vorwerfen darf;
denn nach unserem intelligiblen, nur durch unsere Sinnlichkeit
umdunkelten Bewusstsein sind Sittengesetz, Unsterblichkeit
, höchstes Gut gleichmässig unverbrüchlich unser
Geisteseigen. Wir brechen das Sittengesetz nicht, ohne
uns selber treulos zu werden, und so brauchen wir keinen
Köder, um nach ihm zu leben. Egoismus im reinen
intelligiblen Sinne gehört zu unserer Vollkommenheit; denn
wir haben die Pflicht, uns selber zu werthen, um uns
werthvoll zu machen und beglücken zu können, Drews hält
die individualistische Begründung der Ethik für unmöglich;
ich halte keine Begründung der Ethik für möglich, als die
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