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Dankmar: Geistige und soziale Strömungen etc. 197
Versammlungen, deren Aggregat das Volk ist: aber nur als
„organisirtes Volk", als Regierung will Hegel das Volk gelten
lassen, und er anerkennt die Volkssouveränität nur insoweit,
als sie der fürstlichen nicht widerspricht. Immerhin betonte
er aber schon während des schlimmsten Bochow9sehen Polizeiregiments
die Notwendigkeit der Pressfreiheit, der öffentlichen
Rechtspflege u. s. f. Die Vertretung des Volkes will
er freilich nicht durch Stimmberechtigung Aller, sondern
aus der Mitte der Korporationen, d. i. privilegirten Stände
(daher ständische Monarchie mit Repräsentativ-Verfassung)
hervorgehen lassen. Aber das ist kein direkt freiheitsfeindlicher
Zug an ihm, sondern geschieht in Folge seiner Opposition
gegen das Rousseau'sehe Prinzjp der atomistischen
Persönlichkeit: Volk und staatliche Regierung gelten ihm
als lebendige Einheit und diese hat jenes als substanzielle
Immanenz in sich zu enthalten.
Auch der Monarch theilt bei Hegel das Schicksal des
Persönlichen und Individuellen überhaupt; auch er wird
der Harmonie des Ganzen zum Opfer gebracht und verschwindet
hinter der theoretisch subjektivsten Substanz.
Der Monarch tritt gegen die „explizirte Totalität des
Staates" ganz in den Hintergrund. (Man lese, was in der
Rechtsphilosophie § 280 und § 281 steht.*) Es kommt gar
nicht auf die besondere Art des Monarchen an, dieser kann
auch ein minderwerthiger Mensch sein. Er bildet ja nur
die Spitze der „formellen Entscheidung", und „man braucht
zu einem Monarchen nur einen Menschen, der „Ja" sagt
und den Punkt auf das i setzt; denn die Spitze soll so sein,
dass die Besonderheit des Charakters nicht das Bedeutende
ist". In Staaten aber, woselbst der Charakter des Monarchen
störenden Einfluss hat, ist das ein Zeichen, dass diese „noch
keine völlig ausgebildeten oder keine wohlkonstruirten" sind.
„In einer wohlgeordneten Monarchie kommt dem Gesetze
allein die objektive Seite zu."
Nach Kegel offenbart sich nur die Vernunft in der
Welt „ihre Ehre und Herrlichkeit". Sie ist der Stoff alles
Lebens. Dieser Vernunft, als Idee, erkennt Hegel das Recht
zu, die begrifflich (kulturell) überwundenen, aber noch in
der Existenz (im Staate) „de facto" vorhandenen Stufen aufzuheben
. Daraus kann man jenem oft zitirten Satz: „Was
vernünftig ist, das ist wirklich, und was wirklich ist, das
*) Siehe daselbst HI, 3, 371 ff. III, 2, § 248 spricht Hegel auch
über die Kolonisation. Er schliesst den Zusatz zu diesem Paragraphen
mit den Worten: „Die Befreiung der Kolonien erweist sich
selbst als der grösste Vortheil für den Mutterstaat, so wie die Freilassung
der Sklaven als der grösste Vortheil für d.en Herrn."
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