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220 Psychische Stadien. XXXI. Jahrg. 4. Heft. (April 1904.)
eine Gesetzmässigkeit, wenn sich zwei chemische Elemente
unter gewissen äusseren Bedingungen zu einem dritten
vereinigen, wenn z. B. Sauerstoff und Wasserstoff Wasser
bilden, oder wenn ein schon gebildetes Wassertheilchen unter
gewissen Bedingungen der Temperatur und Luft verdampfen
muss; doch wird man bei diesen einzelnen, einfachen Vorgängen
noch schwerlich bestimmte Zwecke ersehen. Stellen
wir uns nun vor, jenes eben entstandene Wasser befinde
sich einstweilen nur in Forin einzelner grösserer Wasserbecken
an der Oberfläche eines noch unbelebten Weltkörpers
. Alsobald beginnen die gesetzmässig entstehenden
Wechselwirkungen zwischen Wasser, Luft, Erde, in deren
unzähligen Erscheinungsformen, bei Mitwirkung von Temperatur
, Elektrizität, Licht u. s. w.; das Ganze dieser vielfachen
Vorgänge aber bildet offenbar ein ordnungsmässig Wirkendes
, dessen einzelne Getriebe sich die Wage halten (so z. B.
das hier verdampfende, dort als feuchter Niederschlag in
Form von Regen u. s. w. wieder herabkommende, Flüsse
bildende Wasser). Ferner bleibt dieses geordnete kreisläufige
Spiel keineswegs auf sich selbst beschränkt, sondern es entsteht
dadurch eine gleichmässige Vertheilung des Wassers,
welche wiederum gewisse, stetig fortschreitende Veränderungen
an der Oberfläche, überhaupt in der Form und Art
des Planeten mit sich führen, indem z. ß. seine Gesteine
und Bestandtheile sich auf weitere Strecken vertheilen, also
ein gewisser Austausch zwischen bisher isoliert gewesenen
Gebieten eintritt. Dieses riesige Getriebe nun, welches in
seiner Gesammtheit und seinen Resultaten grosse Aehnlich-
keit mit zweckmässig wirkenden menschlichen Betrieben
hat, nur dieselben an Mannigfaltigkeit, Komplizirtheit und
Umfang unendlich überragt, — kann mit demselben Recht
füglich als ein zweckmässiges erscheinen, zu dessen Zustandekommen
die gesetzlichen Einzel Vorgänge zusammenwirken.
Immerhin wird das Plan- und Zweckmässige darin noch
mehr zu einem solchen, sobald jenes Getriebe dem klar
fühlenden und denkenden Einzelwesen zu dienen beginnt. In
noch höherer Potenz erscheint das Zweckmässige in den
Gebilden und Kundgebungen der lebenden Wesen selber.
Dabei ist es unverkennbar, dass jenes plan- und zweckmässige
Verlaufen keineswegs blos ein sich ewig wiederholendes
Einerlei darstellt, in dem sich z. B. die Gebilde
bis zu einer gewissen Höhe entwickeln, dann aber der Zerstörung
anheimfallen würden, um schliesslich wieder von
neuem anzufangen, ganz auf dieselbe Art und bis zu derselben
Höhe aufzusteigen, um dann wieder zu zerfallen u. s f.
Wenn allenfalls die unbelebte Natur uns einen einfachen
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