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v. Seeland: Die Logik der materialistischen Lehre etc. 221
Kreislauf vortäuscht, der übrigens schon in ihr, näher betrachtet
, kein genauer, d. h. kein lediglich rückläufiger ist,
so zeigt uns das Beich des Lebendigen, des Organischen
und besonders die Entwickelung des Menschen einen offenbaren
Spirallauf mit einer deutlich zuerkennenden Tendenz
nach oben, d. h. ein Aufsteigen vom Einfachen und
Niederen zum Zusammengesetzten und Höheren.
Doch siehe da! Es sollte eine Zeit kommen, wo man
die uralte und so natürliche Auffassung von der Plan- und
Zweckmässigkeit der Welt für einen „überwundenen Standpunkt
*4 zu erklären und an deren Stelle eine eigenthümliche
Gedankenkünstelei setzen zu müssen glaubte. Es soll nach
diesen Ansichten nur eine Gesetzmässigkeit, aber keine
Plan- und Zweckmässigkeit geben (was also im Grunde
späte Nachklänge der Demokrifschen Atomistik sind).
Was man sonst teleologisches Entstehen und
Werden nannte, wurde jetzt zum mechanistischen. So
heisst es, die Organe des thierischen Leibes, das Auge z. R,
sei nicht da (bezw. geschaffen), um diesen oder jenen
Zwecken zu dienen, sondern sie seien entstanden, weil die
und die (blinden, d. i. unbewussten) Naturgesetze sie in
ihrem Wirken allmählich „auf dem Wege der Anpassung"
so und nicht anders hervorbringen mussten, wodurch dann
der Schein des Zweckmässigen entstehe.*) Namentlich
wurden dergleichen Erklärungen beliebt, als Darwin's gross
angelegte und tief durchdachte Lehre der natürlichen Zuchtwahl
aufkam.
Wenn Einem bei nächtlichem Gange plötzlich jemand
mit heller Laterne entgegenkommt, so sieht jener zwar
die nächste Umgebung erleuchtet, in demselben Maasse
aber hüllt sich das Uebrige der dunklen Strasse in noch
grössere Finsterniss. Auf ähnliche Art erging es so manchem
Forscher, dem auf einmal das Licht dieser grossen wissenschaftlichen
Theorie vorgehalten wurde, und alsobald war
*) So wird z. B. behauptet, wenn man „lange genug" einzelne
Lettern aus einem Sieb hervorholen und deren Reihenfolge notiren
wollte, so könnten zuletzt Werke wie Milton'a „Verlorenes Paradies"
oder Shakespeares Dramen herauskommen! Zunächt ist es auf
diesem Wege nie und nirgends auch nur zu einem ganzen vernünftigen
Satz gekommen, und alles, worauf man rechnen könnte, bestände
in einzelnen kurzen Spielen aus Worten, die hier und da
hervorgingen und die gerade so viel Sinn hätten, wie etwa jene
Wolkengebilde, die uns nebenbei Profile menschlicher oder thierischer
Gestalten nur vortäuschen, um dann im nächsten Augenblick wieder
zu verschwinden. Augenscheinlich vergisst man bei solchen gewagten
theoretische?! 1 olgerungen, dass die durch „Zufall" entstandenen
Abweichungen (Deviationen) sich desto eher wieder ausgleichen, je
länger die Versuchsreihe dauert.
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