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Kreusobner: Das Eigenlicht des menschlichen Körpers. 255
körper ausstrahlenden, dem normalen Auge jedoch unsichtbar
bleibenden Lichtes heute unter ungleich besseren Bedingungen
vorgenommen werden kann. Wir wissen heute,
dass das auch in unermessbaren Verdünnungen sich noch
durch Strahlung bemerkbar machende Radium, in dieser
ausserordentlich feinen Vertheilung sehr weit in der Natur
verbreitet ist und kürzlich sogar in dem Leitungswasser
einer Stadt nachgewiesen wurde. Seine Uebertragbarkeit
auf Wasser ist schon seit einiger Zeit bekannt. Ausserdem
haben aber erst ganz vor Kurzem die Forschungen eines
bedeutenden englischen Physikers wahrscheinlich gemacht,
dass das Radium eine Modifikation (ein sogenannter allo-
troper Zustand) des vor einer Reihe von Jahren in der
atmosphärischen Luft entdeckten Heliums ist, das vermöge
seines ausserordentlich geringen spezifischen Gewichtes ein
grosses Bestreben hat, sich zu verflüchtigen. Wenn nun
aber im menschlichen Körper schon durch die Nahrungsaufnahme
alle in unserer Umgebung auch nur in den geringsten
Mengen vorhandenen Stoffe — man denke nur an
Jod und Arsenik in der Schilddrüse — wenigstens in Spuren
vorhanden sind, muss das gleiche auch vom Radium und
Helium denkbar sein, von welch letzterem es übrigens nicht
ausgeschlossen ist, dass es sich durch den Chemismus der
lebenden Zelle in ersteres verwandelt.
Ueberall, wo Kräfte wirken, ist auch eine Fernwirkung
derselben vorhanden, die sich in dem einen
Falle sehr leicht, in einem anderen sehr schwer feststellen
lässt. Diese Fernwirkung vollzieht sich aber durch Ver-
mittelung des wellenden Aethers oder, was schliesslich nicht
scharf davon zu trennen ist, durch Wegschleuderung der
feinsten Massetheilchen, der Atome. Wenn nun die Wissenschaft
diese Vorgänge, die durch entsprechende Apparate
zum grossen Theil sichtbar gemacht werden können, als
Wellenbewegungen und Strahlen bezeichnet, ist es
in hohem Grade wahrscheinlich, dass solche Strahlen von
allen nicht in absoluter physikalischer und chemischer
Ruhe befindlichen Körpern ausgehen, besonders reichlich
aber in lebenden Organismen entstehen, wo ein ununterbrochener
Stoffumsatz stattfindet, der Kräfte frei macht
und bindet. Soviel ist aber gewiss, dass man den näheren
Mittheilungen der französischen Forscher mit grosser Spannung
entgegenblicken darf, weil sie in die bisher dunkelsten
Gebiete des Naturerkennens hineinführen.
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