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Litteraturberlcht»
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einer anstrengenden Bergtour schwere Müdigkeit verbunden mit Herzklopfen
auch 23 und 46 Tage später beobachtet worden ist. Aehn-
liches gilt von anderen pathologischen Erscheinungen (Anfällen von
Angst, Asthma u. dgl.) — Aufbau und Abbau des menschlichen
Körpers geht offenbar in periodischen Schüben vor sich. Goethe?*
Todestag ist von seinem Geburtstage um 1077-28 Tage entfernt*) —
Auf rein psychologischem Gebiete bewährt sich die gleiche Beobachtung
. Erinnerungen steigen nach 23 oder 28 Stunden, nach 23
oder 28 Tagen oder nach einem Vielfachen dieser Zeit „von selbst"
iohne Ideenassoziation) wieder auf. Wenn sich in Folge dessen zwei
>ersonen gleichzeitig an einen früheren Brief erinnern, so kommt
es leicht vor^ dass sie beide gleichzeitig an einander schreiben, —
dass ihre Briefe sich kreuzen. In anderen Fällen wiederholen sich
Tageseindrücke in eben solchen Zeitabständen im Traume u. s. w.
Wenn diese vereinzelten Thatsachen geeignet sind, bei dem Leser
die Aufmerksamkeit zu erregen und Zustimmung herbeizuführen, so
wird der zweite Theil des Buches ganz besonders interessant durch
die Folgerungen, die der Verfasser für die wissenschaftliche Psychologie
und die Biologie daraus zieht, — wonach z. B. die Lebens-
armuth (ein Ausdruck, der ähnlich zu verstehen ist wie etwa Blut-
armuth), beim Manne als Neurasthenie, beim Weibe als Hysterie
bezeichnet, in einem neuen Lichte erscheint. Dass des Verfassers
Ansichten noch weiterer Begründung bedürfen, wird von ihm selbst
empfunden. Mit grosser Zurückhaltung äussert er sich über die Herkunft
der Perioden. Ob sie wohl kosmischen Ursprungs sein könnten?
„Man kann sich von Allem emanzijnren, nur vom Weltall nicht."
Wollte man bei der 23stündigen Periode an eine Beziehung zu der
Rotationszeit der Venus denken, so würde das immerhin besser
stimmen, als die Vergleichung der 28tägigen Periode mit dem Mondumlauf
; denn die 28 auf den Mond bezogenen Tage sind doch nur
ein oberflächlicher Kompromiss zwischen dem synodischen Monat
von 29V2 Tagen und dem anomalistischen (an den sich wohl zuerst
noch denken Hesse) von 211/2 Tagen. Wernekke.
B. Zeitschriftenübersicht
Die Übersinnliche Welt Berlin. 12. Jahrg. Nr. 1, 2. Zum Jahreswechsel.
— Ueber die Götterwelt in R. Wagner^ Ring der Nibelungen. — Merkwürdige
Telepathie. — Lichtenberg und die Spaltung der Persönlichkeit
(oder nach seinem eigenen Ausdrucke: „dramatisiertes Besinnen" im
Traume). — Wahrträume. — Ein Kampf um die Wünschelruthe im Jabre
1782. — Neue Untersuchungen von de Rochas. — Das Gesetz von der
Erhaltung der Kraft und das Gebiet des Geistigen. — Der Spiritismus im
Lichte der Wahrheit.
Light London. (Bd. 24) Nr. 1199—1204. Neue Privatsitzungen. — Materialisation
von Lebenden. — Die Wirkung des Gebets. — Abraham
James, Quellenfinder und Medium. — MaxweWs „Phenomenes psychiques".
— Vom Aberglauben. - Leben in der anorganischen Welt (Abstumpfung
und Reizung von Metalldrähten geprült mittels des Galvanometers u. s. w.)
— Das Gefühl der Verantwortlichkeit. — Dr. A. R. Wallace und der
Spiritismus (er bezeichnet den über ihn ausgesprochenen Verdacht einer
Sinnesänderung als „durchaus und gänzlich falsch1*; er halte gleich seinem
*) Auffällig ist mir hier die weibliche 28tägige Periode, üebrigens
dürften zur Bestimmung der Lebensdauer so mannigfache Umstände zusammenwirken
, dass sie nur in Ausnahmefallen durch ein Vielfaches von
28 oder 23 Tagen dargestellt wird. Verschiedene kleine Rechnungen, die
ich darüber angestellt habe (wobei natürlich die Schalttage nicht vergessen
werden dürfen), haben ein negatives Ergebniss gehabt. W.
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