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284 Psychische Studien. XXXI. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1904.)
zwar Gedichte französischer Poeten viel und gerne gelesen,
niemals aber es gewagt, selbst französische Verse zu machen,
zumal sie mit den Regeln französischer Metrik garnicht vertraut
ist. Das erste französische Gedicht, das sie damals
unter Inspiration niederschrieb, ist aber trotzdem nicht nur
fehlerfrei, sondern stellt sich auch als eine, wenn man will,
freie Uebertragung meiner in Genf verfassten Verse dar.
War dieses Faktum merkwürdig genug, so ist es doch noch
bemerkenswerther, dass ich später Gedanken, die meine
Frau in französischen Gedichten ausgesprochen hatte, in
deutschen Versen gleichfalls zum Ausdruck brachte, ohne
von dem Inhalte jener Kenntniss zu besitzen. Da ich zu
meinem Bedauern französisch weder sprechen noch schreiben
kann und meine Frau mir die von ihr verfassten französischen
Gedichte absichtlich nicht übersetzte, so könnte nur von
einer Gedankenübertragung durch meine Frau gesprochen
werden, wenn an der animistischen Erklärung der seltsamen
Erscheinungen festgehalten würde; aber dieser Annahme
widerspricht mein Unvermögen, meine Gedanken in
französische Worte zu kleiden. Schreibt nun meine Frau
französische Gedichte, die sich als freie Uebertragung deutscher
, von ihr nicht gekannter Verse darstellen, was that«
sächlich auch der Fall gewesen ist, dann wird der Animismus
nur schwer das Feld behaupten können, es sei denn, dass
man der Psyche des Menschen, des inkarnirten Geistes
also, alles Denkbare zutraut, um nur die gefürehteten und
geleugneten „Geister" loszuwerden. —
In Bingen am Rhein erfuhren wir im Juni desselben
Jahres von unseren Inspiratoren, dass wir auch ein ßändchen
Gedichte unter dem Titel Friedensklänge" veröffentlichen
würden, das fünfzig deutsche und ebenso viele französische
Dichtungen enthalten wird.
Hier will ich übrigens bemerken, dass ich während einer
achttägigen Reise in der Schweiz sowohl im fahrenden Zuge
ais auf Dampfschiffen unter bewusster Inspiration vor Zeugen
geschrieben habe. Die Urschriften dieser Gedichte sind
aufbewahrt und lassen erkennen, dass es nicht immer leicht
gewesen ist, den Bleistift über das Papier zu führen. Dasselbe
wiederholte sich, als ich mit meiner Frau bald darauf
von Mainz nach Frankfurt a. M, und später von Düsseldorf
auf einem Dampfer nach Rotterdam fuhr. Diese Fahrt in
die Niederlande war ebenfalls von unseren geistigen Führern
und Berathern inspirirt worden: die betreffenden Gedichte
sind einzelnen Persönlichkeiten, wie Herrn Dr. Eduard Reich,
zu dem wir damals geführt wurden, bereits bekannt
Ich hatte bis dahin nur eine einzige Abhandlung des grossen
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