Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
31. Jahrgang.1904
Seite: 293
(PDF, 224 MB)
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v. Seeland: Die Logik der materialistischen Lehre eto. 293

musik oder verwandter Schöpfungen, die Steinmusik der
gothisch - romanischen Spitzbögen, Kreuzgewölbe und hochstrebenden
Pfeiler, den Anblick der verklärten Züge eines
Heiligengesichts, einer gleichsam in die Ewigkeit hineinschauenden
Madonna, oder auch die Erhabenheit in dem Gesichtsausdruck
eines Zeus von Olympia, einer Pallas Athene
des Phidias und ähnlicher Wunderwerke der klassischen
Kunst geniessend in sich aufnimmt.

Es wäre ein grosser Irrthum, zu glauben, dass es gerade
der spezielle Gegenstand, das eigentliche Thema oder
die derzeitige Bestimmung eine3 solchen Kunstgebildes ist,
die hier wirkt. Diese können für dessen Bewunderer that-
sächlich längst abgethan sein und ihre ursprüngliche Bedeutung
eingebüsst haben; die tiefere Grundlage aber, ich
möchte sagen die Unterströmung, kurz das Ewige jener
Gefühle, aus welchen das Werk hervorquoll, fährt fort zu
wirken. In einer Warschauer Bildergalerie sah ich Männer,
für welche der kirchlich traditionelle, beschränkte Sinn
des Abendmahles als Sakrament bereits ein unwiderruflich
Ueberlebtes war, lange unbeweglich vor einem Bilde
stehen, welches nichts Anderes als die letzte Oelung einer
Sterbenden darstellte; es waren aber die Züge der drei Personen
der dort abgebildeten Gruppe — der Kranken, der
Wärterin und des Priesters von so tiefernsten und zugleich
feierlich verklärten Gefühlen angehaucht, dass das
Ganze einen geradezu fesselnden und jedes religiöse Ge-
mttth äusserst wohlthuend berührenden Eindruck machte,
der sich ungefähr in die Worte zusammenfassen lässt:
„Durch Kampf zum Sieg!"; denn darauf läuft der religiöse
Glaube in seiner reinsten Auffassung hinaus.

Man kann daher Kunstwerke dieser Art geniessen, sogar
ohne ihren Namen, ihre Bestimmung, ihren eigentlichen
Sinn zu kennen; es ist deren innere, unmittelbar vom Zeitlichen
und Bedingten unabhängige Kraft, die hier wirkt.
Wie viele von Denen, die täglich andächtig im Madonnensaal
der Dresdner Galerie verweilen, stehen wohl noch auf
«lern Standpunkt jenes naiven Marienkultus, der für unsere
Vorfahren eine Gewissenswahrheit war?

Und doch vermögen alle tiefer angelegte Naturen
Raphael'* Meisterstück zu geniessen, weil aus ihm jene
ewigen und dem Menschengeist unentbehrlichen Gefühle in
höchster Potenz hervorleuchten; nur pflegen Diejenigen von
den Besuchern, welche ihren ganzen Glauben über den
Haufen geworfen haben oder geworfen zu haben glauben, sich
über ihre hier empfangenen Eindrücke keine Rechenschaft
zu geben, sonst würden sie sich sagen müssen, dass sich


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