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296 Psychische Studien. XXXI. Jahrg. 5. Hett. (Mai 19C4.)
keine einzelnen, besonderen Worte entsprechen, sondern
entweder gar keine sprachlichen Auslösungen (in menschlichen
und thierischen Organismen), oder ganze „Sätze*l)
(in menschlichen Organismen).
Die hier angedeuteten, nicht an einzelne Worte gebundenen
Werthe sind für die Analyse, Beschreibung und
Theorie des „psychischen" Lebens von grosser Bedeutung
und verdienen eine eingehendere Betrachtung.
Sie sind in der Psychologie bereits zum Theil unter dem
Namen von nGestaltqualitäten* und zum Theil unter dem
Namen von „Gesammtvorstellungen* zur Abhebung gelangt,
wenn auch durchaus nicht in ihrem ganzen Umfange und
Zusammenhange mit den sprachlichen „ Begriffen."
Die vorliegende Analyse dürfte eine Weiterentwickelung
und den Versuch einer theoretischen Grundlegung jener
Werthe bieten. —
Den Begrifi der Gestaltqualität hat Chr. v. Ehrenfeh
aufgestellt (Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. ltfHU, S. 249).
Er versteht darunter „solche positive Vorstellungsinhalte,
welche an das Vorhandensein von Vorstellungskomplexen
im Bewusstsein gebunden sind, die ihrerseits aus von einander
trennbaren Elementen bestehen" (S. 262). Jene für
das Vorhandensein der Gestaltqualitäten nothwendigen Vorstellungskomplexe
nennt er die „Grundlagen der Gestaltqualitäten
." Er theilt sämmtliche Gestaitqualitäten in unzeitliche
, deren Grundlage vollständig in Wahrnehmungsvorstellung
gegeben sein kanntt (z. B, „die Raum-
Gestalten des Gesichts- und Tastsinnes", musikalische
„AkkordeÄ) und zeitliche, bei denen „höchstens ein
Element in Wahrnehmungsvorstellung gegeben sein kann,
während die übrigen als Erinnerungs-, bez. Erwartungsbilder
vorliegen" (z. ß. eine „Melodie") (S, 2(i3j. rJede
Veränderung eines Vorstellungsinhaltes nach irgend einer
Richtung hat eine Gestaltqualität zur Folge" (z. B. ,.ein
Steigen", „ein Erröthen", „ein Abkühlen und dergl.a) (S. 268).
Auch aut dem Gebiete des „inneren Wahrnehmend findet
der Verfasser Gestaltqualitäten, wie „die Relation, die Aehn-
lichkeit and der Widerspruch14.2)
l) Näheres darüber Nr I, 9; ausserdem vergl. Wundi\ Volkerpsychologie
I, 2, S. 241: „es bewährt sieh die nur relative Begrenzung
zwischen Wort und Satz auch darin, dass in manchen
Sprachen der Satz die gleiche feste und unveränderliche rügung
gewinnen kann, die sonst nur das Wort darbietet"; ib. I, 1, S. 562.
2) Eine wesentliche Erweiterung oder theoretische Grundlegung
hat der Begriff der Gestaltqualität bei anderen Autoren nicht erfahren
; //. Cornelius, J. I' rlzuldi und A. Hofier suchten vornehmlich
Gefühlswerthe unter diesem Gesichtspunkte zu betrachten.
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