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Erdmann: Drei Beiträge zu einer allgero. Theorie der „Begriffe". 297
Unter dem Namen von Gesammtvorstellungen hat
Wundt einige andere zu derselben Kategorie gehörende
wichtige Werthe behandelt.
„Eine Gesammtvorstellung ist, ehe der Prozess ihrer
Gliederung eintrat,... nichts anderes, als eine zusammengesetzte
Einzelvorsteilung; ihr Inhalt ist ein einzelner
Gegenstand oder Vorgang, der aus Theilen besteht."
(Völkerpsychologie I, 2, S. 243.) »Das Wesen der Gesammtvorstellung
besteht . . darin, dass sie aus einer Mehrheit
beziehungsfähiger Theile zusammengesetzt ist" (ib.
S. 245).
,üer Prozess der Gliederung (einer Gesammtvorstellung)
hat ...zwei spezielle Momente: das erste ist die U n t e r -
Scheidung der Theile, das zweite ihre beziehungsweise
Verbindung"; dabei werden die Theile im
Sprechenden nicht bloss unterschieden, sondern gleichzeitig
zu einander in logische Beziehungen gesetzt,* und »alle
jene Beziehungen, die sich nachher in die allgemeinen
logischen Kategorien oidnen lassen, werden zunächst als
konkrete, thatsächliche in einzelnen Fällen gefunden44
(ib. S. 246).
Die bisher als Gestaltqualitäten und Gesammtvorstellungen
genannten Werthe umfassen nicht alle zu derselben
Kategorie gehörenden gleichartigen Werthe.
Ich möchte auf die wichtigsten dieser Werthe im Zusammenhange
mit einer theoretischen Grundlegung derselben
, die aus einer Analyse des von Avenarius aufgestellten
Begriffes des Koordinationssystems geschöpft
werden dürlte, in folgender Darstellung hinweisen.
Das Koordinationssystem wird von Avenarius als eine
funktionelle Verbindung8) zweier oder mehrerer »Partiai-
systeme"4) (kortikaler oder subkortikaler Zentren) bestimmt.
Die Einheit solcher Systeme beruht nach der Theorie
von Avenarius darauf, dass einem jeden eine relativ gleich-
massige Ernährungsvermehrung (»Moment") und eine ihr
entsprechende und sie gleichmässig aufhebende spezifische
Arbeits Vermehrung (»Komoment"), entspricht.
Es dürften zwei Hauptarten von Koordinationssystemen
unterschieden werden: 1) simultane, in denen der die
Setzung von „psychischen* („ E*-)Werthen bedingende bio-
) Diese Annahme beruht auf den anatomischen Befunden über
den Verlauf der Assoziationsfasern in der Hirnrinde. (Vergl. die
Arbeiten von Meynert, flechsig u. a.)
4) „Eine Vielheit von Formelementen -Zellen,— die im
Prozess der Arbeitstheilung eine bestimmte Aenderung übernommen
haben/ (Kritik d. r. Erl B. I, n.° 73—75.
Psychisch© Studien. Mai 1904. 20
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